In der Oase
Stunde zerstört worden sind. Ich möchte die Stücke nicht aufsammeln und von vorn anfangen. Ich bin zutiefst betrübt und todmüde.
Sechzehntes Kapitel
Lange stand er so unbekleidet da, während Zweifel, Träume und Erinnerungen über ihn hinwegrauschten und die harte Schale durchdrangen, die er sich zugelegt hatte. Erst als es an der Tür klopfte, kam er wieder zu sich.
»Was ist, Achtoi?«, krächzte er.
»Mit Verlaub, Majestät, aber Senehat ist hier. Sie sagt, sie muss dich dringend sprechen.«
»Sag ihr, sie soll weggehen. Ich möchte nicht gestört werden.« Draußen wurde heftig geflüstert, dann kam Senehats Stimme gedämpft durch die Tür.
»Verzeih mir, Majestät, aber ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen. Es kann nicht warten.« Kamose griff nach seinem Schurz. Zweimal packte er ihn nicht, doch dann schaffte er es und wickelte ihn unbeholfen um die Mitte.
»Herein«, rief er. »Hoffentlich ist es wichtig, Senehat. Ich bin nicht in Stimmung für Albernheiten.«
Die Tür ging auf und schloss sich wieder und die junge Frau näherte sich unter Verbeugungen. Sie trug das schlichte Dienerinnenkleid aus weißem, blau gesäumtem Leinen, ging barfuß und war umweht von einer Wolke schlichtem Lotosduft. Der traf Kamose fast körperlich und er musste sich beherrschen, dass er ihn nicht wie ein witternder Hund mit geblähten Nüstern einsog. »Verzeih mir, Majestät«, wiederholte sie. »Ich wollte dich schon seit deiner Rückkehr aus Wawat allein sprechen.« Kamose musterte ihr Gesicht, sah jedoch kein Anzeichen dafür, dass sie ihn verführen wollte. Ihre Miene war ernst. Eine kleine Falte stand zwischen ihren Augenbrauen.
»Dann sprich«, befahl er. Sie hob die Hände und faltete sie.
»Wie du vielleicht weißt, hat Prinzessin Aahmes-nofretari mich gebeten, mit dem Edlen Ramose ins Bett zu gehen«, begann sie erstaunlich offen. »Ich habe eingewilligt. Die Gründe für diese Bitte waren einleuchtend. Ich mag nur eine Dienerin sein, aber ich bin eine gute Ägypterin, Majestät. Und ich bin auch eine gute Spionin geworden.« Kamose schenkte ihr eine Lächeln.
»Setz dich, Senehat«, sagte er und zeigte auf seinen Stuhl. »Nimm dir Wein.« Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, ich darf hier nicht lange bleiben. Wenn die Herrin Nofre-Sachuru argwöhnt, dass ich unter vier Augen mit dir gesprochen habe, wird sie versuchen, mich zu töten.« Kamose kniff die Augen zusammen.
»Dich töten? Meine liebe Senehat, wenn meine Schwester dich in solcher Gefahr wüsste, sie hätte dich sofort aus dem Einflussbereich dieser Frau entfernt. Übertreibst du nicht?«
»Nein! Bitte, Majestät, hör mich an! Ich bin vor einiger Zeit die Bettgefährtin des Edlen Ramose geworden. Er ist ein schöner Mann, freundlich und aufmerksam. Inzwischen mag ich ihn sehr, aber das hat mich nicht davon abgehalten, meiner Herrin seine Worte weiterzugeben. Ich danke den Göttern, dass er nie etwas Ungutes gesagt hat. Er liebt dich. Er ist ehrlich. Nur vor seiner Mutter musst du Angst haben.« Sie verstummte, überlegte, was sie als Nächstes sagen sollte, und Kamose wartete geduldig. »Als du ihn nach Süden mitgenommen hast, gehörte ich bereits zu den Leibdienern der Herrin Nofre-Sachuru«, fuhr Senehat stockend fort. »Ich wasche sie im Badehaus und frisiere ihr das Haar. Ich warte ihr beim Essen auf und mache ihr Bett. Sie hat mich wegen Ramose genommen, aber sie sieht mich so gut wie gar nicht.« Die junge Frau errötete. »Sie ist eine Frau, für die Diener unsichtbar sind. Was Blut und Stellung angeht, ist sie ja etwas Besseres, aber ihr Ka ist gewöhnlich.« Senehat schluckte und sah Kamose kurz abbittend an. »Ich bin eine ägyptische Dienerin«, sagte sie mit einer Spur Trotz. »Unter dem Schutz der Maat bin auch ich etwas wert. Nicht wie die Sklavinnen, auf denen die Setius herumtrampeln.« Du bist eine feurige und schlaue kleine Hexe, dachte Kamose. Aahmes-nofretari hat gut gewählt.
»Ich verstehe«, sagte er laut. »Fahr fort, Senehat.«
»Es ist unter deiner Dienerschaft kein Geheimnis, dass Nofre-Sachuru dich hasst, weil du ihren Gemahl hingerichtet hast und weil Ramose dich liebt«, sagte sie offen. »Sie hasst deine Familie, weil diese sie aufgenommen hat und freundlich zu ihr ist. Erbarmen soll ja Groll wecken, nicht wahr?« Kamose nickte. »Sie hat an dem Tag, als ihr Gemahl gestorben ist, großen Mut und große Würde bewiesen. Sagen die Klatschbasen unter deinem Gesinde.« Sie ging zum Tisch und nahm sich den Krug.
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