In der Oase
an den Soldaten.
»Bring sie auf direktem Weg durch den hinteren Dienstboteneingang«, sagte er. »Nehmt unterwegs aus der Küche zu essen und zu trinken mit, was ihr findet. Geht so weit hinaus in die Wüste, wie sie laufen können, und versteckt euch bis zum Abend. Dann schleicht ihr euch zu Amuns Tempel. Du bleibst die ganze Zeit bei ihnen.« Du hältst Ägyptens Zukunft in deiner Hand, wollte er noch hinzufügen. Dein Leben zählt nichts im Vergleich zu ihrem. Kann ich dir trauen? Er biss sich auf die Zunge, denn er wusste, er hatte keine andere Wahl, er musste sich auf die Treue dieses Mannes verlassen und es wäre unvernünftig, ihn zu kränken. Aahmes-nofretari hatte ihre Tür zugeschlagen und reichte ihm einen Schurz.
»Ich bin angezogen, wie du befohlen hast«, sagte sie. »Binde dir den um, Kamose. Er gehört Ahmose. Aber ich gehe nicht mit den Kindern. Ahmose wird mich hier brauchen. Mutter und Großmutter auch.« Er wollte sie packen und auf den Flur schubsen, sie in seiner Eile und Angst anbrüllen, doch er legte nur die Waffen ab und band sich den Schurz um.
»Prinzessin…«, kam Raa ängstlich dazwischen. Aahmes-nofretari ging zu ihr und schob sie entschlossen zur Tür.
»Der Getreue hier kümmert sich um euch«, sagte sie. »Tu, was er sagt.« Kamose winkte dem Mann.
»Trag den Prinzen. Damit er nicht in das Blut tritt«, befahl er. »Und betet. Beeilt euch!« Der Soldat hob Ahmose-onch hoch und dann war der Raum leer. Kamose wartete nicht. Er griff nach den Waffen. »Berichte Tetischeri und Aahotep, was ich weiß«, sagte er und ging zur Tür. »Bleib bei ihnen. Sie dürfen nicht herumlaufen. Falls Soldaten kommen, musst du lügen.« Dann hielt er jählings inne, ging ins Zimmer zurück, legte Schwert und Messer wieder ab und schloss seine Schwester in die Arme. »Ich liebe dich. Es tut mir so Leid«, flüsterte er wider alle Vernunft. Sie drückte ihn fest und heftig an sich, dann ließ sie ihn los.
»Finde Ahmose und kämpfe, Kamose«, flüsterte sie. »Sie sollen dafür zahlen. Denn wenn du es nicht tust, muss ich sie alle umbringen.« Ein lahmer Versuch, das Ganze humorvoll zu nehmen, doch als er auf den noch immer verlassenen Gang trat und fortging, fühlte er sich besser.
Er hielt sich im Schatten und schlich mit angespannten Sinnen durchs Haus, erwartete, dass ihm jeden Augenblick ein Feind den Weg vertrat. Der große Empfangssaal war leer. Die anderen öffentlichen Räume auch. Erst als er zwischen den Eingangssäulen hindurchging, stieß er auf jemanden. Zwei Soldaten standen von ihren Schemeln neben der hohen Flügeltür auf und salutierten und erleichtert stellte Kamose fest, dass sie zu den Getreuen des Königs gehörten. Sie wussten genauso wenig von dem Vorgefallenen wie der Soldat vor Ahmoses Tür und Kamose verschwendete keine Zeit mit Nachfragen. »Stellt euch draußen vor die Frauengemächer«, befahl er. »Lasst niemanden ein, außer den Edlen Ramose oder euren Vorgesetzten, Fürst Anchmahor.« Er wartete nicht ab, dass sie gingen, sondern schlug den Weg zur Bootstreppe ein.
Auf einmal blieb er stehen, stöhnte, legte die Hände auf die Knie und krümmte sich. Er stand vor einem Zwiespalt, der zwar einfach, aber umso teuflischer und fürchterlicher war. Wie die Soldaten wusste Ahmose vermutlich nicht, was sich im Haus zugetragen hatte. Er war irgendwo da draußen auf dem Fluss, saß zufrieden in seinem Boot und ließ die Schnur ins Wasser hängen. Die Mörder, wer auch immer sie waren, mussten nur seine Rückkehr abwarten. Kamose prüfte den Himmel, das Morgengrauen nahte. Ein vereinzelter Vogel begrüßte schon zwitschernd den Sonnenaufgang.
Falls er zum Nil weiterging, konnte er seinen Bruder abfangen. Wenn jedoch seine und Aahmes-nofretaris Vermutung stimmte und das hier ein Aufstand war, würden die Fürsten ihre Hauptleute schnurstracks zu den Kasernen führen. Und ehe sich seine eigenen Hauptleute den Schlaf aus den Augen gerieben hatten, würde das Heer in der Hand des Feindes sein und er wäre vollkommen machtlos. Genauso gut könnte ich mich hier hinstellen und meinen Hals demütig unter das Messer legen, dachte er bitter. Entweder ich laufe so schnell wie möglich zur Kaserne, bin vielleicht eher dort als die Fürsten und opfere Ahmose mit ziemlicher Sicherheit, denn am Nil liegen sie auf der Lauer, aber ich ersticke diese Rebellion. Oder ich versuche, ihn abzufangen, rette ihm das Leben und verliere ein Königreich.
Aber möglicherweise ist er schon tot,
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