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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Haus liegt voller…« Sie stockte und schluckte. »Es liegt voller Leichen, Ramose.«
    Auf einmal wollte sie sich in die Arme des jungen Mannes stürzen, wollte ihren furchtbaren Schmerz, der gerade erst einsetzte, hinausschluchzen, aber sie wusste, das ging nicht. Vom Haus kamen Kares und Uni mit einem Dutzend ängstlich schnatternder Diener auf sie zugelaufen. Ich darf nicht zusammenbrechen, dachte sie. Für Ahmose muss man den Arzt holen. Kamose muss gewaschen werden und man muss nach den Sem-Priestern schicken. Kares muss die Flure säubern lassen. Tetischeri braucht etwas zu essen. Jemand muss sich davon überzeugen, dass Ahmose-onch und die Kleine wohlbehalten im Tempel sind. Ich darf mich nicht gehen lassen. Nicht, bis die Fürsten im Gefängnis sind und das Heer wieder unter Kontrolle ist. Aber was ist, wenn die Fürsten siegen? Ach, meine Söhne. Meine schönen Söhne. Wie soll ich Tetischeri beibringen, dass die Sonne ihres Lebens tot ist?
    »Majestät!«, rief der Haushofmeister im Näherkommen. »Du hat ganz blutige Hände!«
    »Das ist kein Blut, Kares«, antwortete sie erschöpft. »Das ist Gift. Reich mir deinen Arm. Ich bin sehr müde und dabei gibt es heute Morgen so viel zu tun.«
    Aahmes-nofretaris Weg zu dem großen Exerzierplatz und den Kasernen, die ihn säumten, führte an den Dienstbotenquartieren vorbei. Sie war im Haus gerade so lange stehen geblieben, dass sie einem toten Getreuen ein Messer und eine kleine Axt abnehmen konnte, Dinge, die sich in ihrer Hand ganz fremdartig anfühlten. Hätte ich die Grenzen geachtet, die einer Ehefrau und Mutter gesetzt sind, würde ich jetzt nicht in der Klemme stecken, schalt sie sich. Jemand anders würde diese Waffen weitaus geschickter umklammern als ich, irgendein Mann mit Autorität und einer Stimme, die jeden Gegner niederschreien kann. Aber wer?, wanderten ihre Gedanken, als sie bereits zu den größeren Zellen abbog, in denen die Haushofmeister wohnten. Ich bin alles, was noch übrig ist. »Uni!«, rief sie und schob seine Tür mit dem Axtgriff auf. »Du und Kares, ihr werdet unverzüglich im Haus gebraucht!« Uni hatte sein Lager bereits verlassen und stand nackt neben einer dampfenden Schüssel mit Wasser. Sein überraschter Ausdruck wich schnell und sie wartete nicht darauf, dass er zu seinem Gewand griff. Sie wusste, er würde wie alle guten Haushofmeister sofort und mit geschulter Tüchtigkeit reagieren.
    Das Tor zum Weg, der sich durch die Felder zur Wüste dahinter zog, war üblicherweise gut bewacht, ja, sie hatte gehofft, dort zwei starke Schwertarme vorzufinden, doch heute rief sie niemand an und so schob sie sich durch und bog nach rechts ab.
    Der Tumult war schon von weitem zu hören. Männer brüllten und in der Luft hing eine Staubwolke. Ich hätte mir einen Helm aufsetzen sollen, hätte mir ein Armband, irgendetwas greifen sollen, was den Eindruck von Autorität erweckt, dachte sie. Ungeschminkt und mit ungekämmtem Haar komme ich mir albern und linkisch vor und mein Handgelenk tut jetzt schon weh von dem Gewicht der Axt und mein Messer darf sich nicht in den Falten meines Hemdkleides verfangen. Sie hätte gern geweint, sich zu Boden sinken lassen und den Kopf auf die Knie gelegt. Sie beschwor Ahmose, wie durch ein Wunder aufzutauchen, ihr die Waffen auf seine sanfte Art abzunehmen und sie mit Lobesworten für ihr Bemühen in ihre Gemächer zurückzuschicken. Bei dem Bild ihres Mannes wuchs ihre Verzweiflung nur noch, aber es machte ihr wiederum auch Mut. Falls ich sterben muss, so sei es, sagte sie sich. Ich darf mein Erbe nicht entehren. Ich darf mich nicht in den Dreck legen wie Tani.
    Jetzt kamen Exerzierplatz und die Estrade von hinten in Sicht, von der aus man die Truppen mustern konnte. Ungefähr ein Dutzend Männer stand darauf und Aahmes-nofretari packte die blanke Angst, als sie unter ihnen Fürst Iasen erkannte. Der große Platz wimmelte von sich schubsenden Soldaten. Weitere kamen aus den Kasernen geströmt. Aahmes-nofretari verlangsamte den Schritt und stellte ergrimmt fest, dass zwar viele den weißen, blau gesäumten Schurz des Königs trugen, aber ebenso viele die unterschiedlichen Uniformen der Fürsten. Und alle waren bewaffnet.
    Sie reckte die Schultern, umklammerte Messer und Axt fester, ging um die Estrade herum, stieg die Stufen hoch und schob sich mit einem Stoßgebet zu den Göttern in die kleine Gruppe. »Macht Platz, alle miteinander«, sagte sie forsch. Mit halbem Auge sah sie den Befehlshaber der

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