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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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alles in ihr wehrte sich dagegen, weil es so dreist war. Ich bin nur eine Frau und Mutter, sagte sie sich verzweifelt. Wenn ich hier in den Gemächern meiner Großmutter bleibe, verschonen mich die Fürsten, aber wenn ich mich in das, was da draußen vorgeht, einmische, tötet man mich. Was wird dann aus meinen Kindern? Mir fehlt der Mut dazu. Doch als sie ihren Gedanken dann laut aussprach, sank ihr der Mut noch mehr. »Ich habe viel Zeit auf dem Exerzierplatz verbracht«, sagte sie und ihre Stimme wurde sicherer. »Die Männer haben anscheinend Achtung vor mir. Die stellen wir jetzt auf die Probe. Ich verkörpere das Herrscherhaus. Wenn mich die Hauptleute sehen, mich hören, dürften sie eher mir gehorchen als irgendeinem Fürsten.« Sie verstummte, schluckte und fand Halt an der nächsten Stuhllehne. »Falls die Götter mit mir sind, wissen die Soldaten nicht, dass ihr König und sein Bruder augenblicklich machtlos oder vielleicht schon tot sind. Sie werden sich vor Strafe fürchten. Ich kann jedweden Schaden, den die Fürsten da draußen angerichtet haben, vielleicht noch gutmachen, wenn ich schnell genug bin. Wenn ich jedoch zu spät komme…«, sie hob die Schultern, »… können sie mich schlimmstenfalls verhaften und mich hierher zurückschleifen.«
    Die beiden anderen Frauen starrten sie an, Tetischeri mit nachdenklich zusammengekniffenen Augen, Aahotep mit ihrem gewohnten undeutbaren Blick. Dann seufzte sie.
    »Falls es jemand wagt, sollte ich das machen«, sagte sie. »Meine Autorität ist größer als deine, Aahmes-nofretari.« Doch jetzt griff Tetischeri schnell ein.
    »Nein, Aahmes-nofretari hat Recht«, sagte sie. »Die Soldaten kennen sie. Sie sind daran gewöhnt, sie mit Ahmose-onch auf der Estrade zu sehen. Lass sie gehen, Aahotep. Es ist ein guter Plan.« Aahmes-nofretari verspürte eine heftige Abneigung, als sie ihrer Großmutter ins Gesicht blickte. Du bist wirklich eine skrupellose Frau, dachte sie. Meine Sicherheit ist dir einerlei. Alles, woran du denkst, ist die einzigartige Stellung, die diese Familie in Ägypten innehat. Falls ich es schaffe, ist es dir einerlei, ob ich überlebe oder bei dem Versuch sterbe.
    »Schließlich, Großmutter«, sagte sie laut, denn sie konnte es sich nicht verkneifen, »haben die Taos noch einen Sohn, der herrschen kann, falls mein Gemahl und Kamose sterben. Das ist deine einzige Sorge, nicht wahr?« Sie wandte sich an ihre Mutter. »Aahotep, habe ich deine Erlaubnis?« Aahotep nickte, weiß bis an die Lippen.
    »Wir haben keine andere Wahl und keine Zeit, uns etwas anderes auszudenken«, sagte sie und ihre Stimme brach. »Und auch ich habe nicht die Absicht, hier zu warten und verrückt zu werden, Aahmes-nofretari. Ich gehe zur Bootstreppe, und wenn die nicht bewacht ist, setze ich über den Fluss zu Hor-Aha.« Sie breitete die Arme aus und umarmte ihre Tochter. »Nimm Waffen mit«, sagte sie. Aahmes-nofretari ging zur Tür und trat auf den Flur. Es kostete sie ihren ganzen Mut, in den hinteren Teil des Hauses zu gehen, doch im Geist betete sie zu Amun und stellte sich das freundliche Gesicht ihres Mannes vor, und danach war alles einfacher, als sie gedacht hatte.
    Aahotep wollte ihr folgen. »Sollte Nofre-Sachuru so dumm sein, dass sie in ihre Gemächer zurückkehrt, muss man sie dort festhalten«, sagte sie zu ihrer Schwiegermutter. »Schaffst du das, Tetischeri?« Die Ältere verzog den Mund.
    »Mit Kraft schafft es dieser alternde Leib nicht mehr«, antwortete sie mit belegter Stimme. »Ich kann versuchen, sie unter Druck zu setzen, aber wenn sie wieder gehen will, kann ich sie nicht aufhalten. Doch die Morgendämmerung kommt, Aahotep. Uni dürfte sein Lager in den Dienstbotenunterkünften verlassen haben. Ich kann nur beten, dass man ihm nichts getan hat und er das Haus erreicht. Er kann Nofre-Sachuru zurückhalten.« Es gab nichts weiter zu sagen. Aahotep zögerte, ein Dutzend Vermutungen schossen ihr durch den Kopf. Sie rang sich ein flüchtiges Lächeln ab, schlüpfte aus dem Zimmer und machte die Tür hinter sich zu.
    Der Flur lag nicht mehr im Dunkeln. Das graue Licht, das den Sonnenaufgang ankündigte, erhellte alles und nahm noch zu, als sie rasch zum Haupteingang des Hauses ging, und die überall liegenden Leichen machten wirklich, was in den Bereich der Albträume gehörte. Gleichzeitig wurde es auf einmal kühl und Aahotep fröstelte. Sie fürchtete sich nicht vor den Toten. Eine furchtbare Angst um ihre Söhne beschleunigte ihren Puls und

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