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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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ließ sie geradeaus blicken. Zorn stieg in ihr auf, ein Gefühl, das ihr von Zeit zu Zeit zugesetzt hatte, seitdem man ihr ihren Mann in einer Kiste voll Sand zurückgebracht hatte.
    Sie war noch nicht weit gekommen, da stellten sie zwei näher kommende Soldaten, als sie um eine Ecke bog. Zu spät zum Verstecken. Sie blieb stehen und wartete auf sie und das Herz stockte ihr in der Brust. Ich hätte mich bewaffnen sollen, dachte sie. Ein alberner Gedanke, doch einerlei, da verbeugten sie sich auch schon und hoben keineswegs die Schwerter. »Wohin wollt ihr?«, fragte sie.
    »Seine Majestät hat uns befohlen, den Frauenflügel zu bewachen«, sagte einer. »Wir sollen deine Sicherheit gewährleisten.«
    »Dann lebt Kamose also!«, hauchte sie und schöpfte Mut. »Wie lange ist es her, dass ihr ihn gesehen habt? Wohin ist er gegangen?«
    »Seine Majestät ist aus dem Haus gekommen und wir hatten unter den Säulen Posten bezogen«, erläuterte derselbe Mann. »Er hat nichts weiter gesagt, nur dass wir dich bewachen sollen. Majestät, was geht hier vor?« Aahotep musterte sie und überlegte kurz, ob sie die beiden zu Tetischeri schicken sollte oder nicht, entschied dann aber, dass es Verschwendung war. Und sie wollte auch keine Zeit darauf vergeuden, eine Situation zu erklären, die sie selbst noch nicht durchschaute, denn dabei könnte sie aller Mut verlassen.
    »Kommt lieber mit«, befahl sie. »Und macht euch darauf gefasst, jeden zu töten, den ihr nicht kennt.« Sie bückte sich und holte sich ein Messer von der Leiche, die auf der Schwelle zu Seqenenres Arbeitszimmer lag, und als sie sich aufrichtete, merkte sie, dass die Nacht vollends vergangen war. Re säumte den Horizont.
    Das vermittelte ihr ein Gefühl von Dringlichkeit. Beeil dich, flüsterte es in ihr, beeil dich, sonst kommst du zu spät. Sie fing an zu rennen, den Gang entlang, an dem großen Eingang zum Empfangssaal vorbei, vorbei an dem kleinen Raum gegenüber, in dem die Hausschreine standen, und zwischen den Säulen hindurch ins Freie und die beiden Männer keuchten hinter ihr her. Die Steine unter ihren Füßen fühlten sich durch ihre Sandalen kalt an und die Luft war vorübergehend frisch, doch der Garten dahinter lag bereits in funkelndem Morgenlicht. Wärme berührte ihre Haut, als sie den Weg einschlug, der zur Bootstreppe führte, doch das merkte sie kaum, so stark war der Drang weiterzulaufen. Ein Teil ihres Bewusstseins trat zurück und staunte über ihren wilden Lauf. Bist du das, Aahotep, die Mondanbeterin, die Befürworterin von Würde und beschaulicher Gemessenheit, die hier ungeschminkt, mit flatterndem Haar und Leinen läuft? Doch die überwältigende Panik, die ein lauter Schrei auslöste, ließ sie alles vergessen.
    Sie stolperte und blieb außer Atem und mit zitternden Knien von der ungewohnten Anstrengung auf dem Weg stehen. Hinter dem Weinspalier kämpfte eine Gruppe Männer. Ein paar Schritt vor ihr lag einer und war eindeutig tot, der Hals halb durchtrennt. Ein anderer lag etwas weiter entfernt und streckte auf der festgetretenen Erde alle viere von sich. Jemand hatte ihn in den Arm genommen, senkte den Kopf, sein breiter Rücken war staubig und mit einem Aufschrei erkannte Aahotep Ahmose. Sie setzte sich wieder in Bewegung und bekam nur noch halb mit, dass sich ihre Soldaten ins Kampfgetümmel stürzten, wo ein Mann in der blauweißen Livree des königlichen Hauses versuchte, drei andere abzuwehren.
    Zwischen ihnen und dem gebeugten Rücken ihres jüngeren Sohnes lief ein anderer Mann, der mit beiden Händen eine Holzkeule schwang. Seine Absicht war klar und die blanke Verzweiflung packte Aahotep, denn sie wusste, dass er vor ihr bei Ahmose sein würde. Ihre Begleiter kämpften jetzt und hatten die Gefahr nicht erkannt. Sie schrie ihnen im Vorbeilaufen etwas zu, hörte einen anderen Schrei hinter sich, doch sie wollte nur laufen, laufen.
    Der Mann mit der Mordwaffe hatte sich seinem Opfer jetzt auf Reichweite genähert. Er wurde langsamer und schwang die Keule. »Ahmose!«, schrie Aahotep, doch ihre Stimme ging in dem Geschrei der kämpfenden Soldaten unter, er hörte sie nicht. Er wiegte den Leichnam des Mannes, den er fest an sich drückte. Der Angreifer fand das Gleichgewicht, stellte sich breitbeinig hin und Aahotep hatte das Gefühl, dass die ganze Welt in dem Augenblick aufhörte, als seine Waffe auf den wehrlosen Schädel ihres Sohnes heruntersauste. Die Zeit erstarrte. Sie kam nicht mehr voran und die Blätter an den

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