In der Oase
schiefe Argumentation, die Tetis niedere Instinkte angesprochen hat«, blaffte Mesehti zurück. »Falls Anchmahor den Befehl hat, dann weil unser Gebieter ihm das zutraut. Ein klein wenig Demut, Iasen, steht einem Edelmann wohl an. Wir wollen doch nicht an dieser Frage hängen bleiben, auch wenn das Thema eingestandenermaßen schmerzlich ist.«
»Mir ist eine andere Meinung nur recht, Iasen«, warf Kamose ein. »Ich habe es nicht gern, wenn Edelleute und Hauptleute ihre Gedanken vor mir verbergen, weil sie sich vor einer kleinlichen Strafe fürchten. Aber die endgültige Entscheidung liegt bei mir, und ich habe beschlossen, dass Teti um unserer und der Maat Sicherheit willen für seinen Verrat sterben muss. Möchte jemand formell dagegen protestieren?« Niemand sagte etwas. »Sehr gut«, fuhr er fort. »Und jetzt möchte ich von jedem einen Bericht darüber, wie es um die Bauern unter euch bestellt ist. Daschlut hat uns weitere Waffen eingebracht, und die gehen an Männer, die im Umgang damit Geschick gezeigt haben.«
»In Chemmenu gibt es viele Streitwagen und Pferde«, warf Ahmose ein. »Die müssen wir möglichst alle in unseren Besitz bringen. Wir haben zwar keine Wagenlenker, können aber unterwegs welche ausbilden.«
»Wagenlenker sollten Hauptleute sein«, brummelte Machu, und Kamose ballte im Schutz des Tisches die Faust.
»Dann werden wir Männer, die sich dafür eignen, befördern«, sagte er kühl. »Und jetzt zu anderen Themen.«
Als der Kriegsrat beendet war und sich die Fürsten in ihre Zelte oder auf ihre Schiffe zurückgezogen hatten, nahm Kamose seinen Bruder und Hor-Aha auf einen Spaziergang mit, der sie so weit wie möglich vom Lärm des Heeres fortführte, und dann entkleideten sie sich und schwammen ein Weilchen. Danach lagen sie am Wasser in der Sonne. »Was willst du wirklich in Chemmenu tun?«, fragte Ahmose seinen Bruder. »Hast du vor, die Einwohner zu verschonen, wie du den Fürsten versprochen hast?«
»Das geht mir auch durch den Kopf«, sagte Hor-Aha. Er hatte seine Zöpfe gelöst und fuhr sich mit den Fingern durch das schwarze Haar. »Eine gefährliche Idee, Majestät. Warum Daschlut auslichten und Chemmenu, eine Stadt voller Setius, verschonen? Chemmenu ist genauso krank wie Auaris.«
Kamose musterte seinen General. Seinem gelassenen, dunklen Gesicht war keinerlei Gefühl anzumerken. Aus seinem vollen Haar lief Wasser über die kräftigen Arme und spritzte auf den Sand zwischen seinen gespreizten Schenkeln. Seine Augenbrauen waren nachdenklich zusammengezogen.
»Ich schrecke vor einem weiteren Gemetzel wie in Daschlut zurück«, erwiderte er. »Was ich dort getan habe, ist mir nicht leicht gefallen, und ein weiteres Blutbad in Chemmenu wäre doppelt so grausig.« Hor-Aha warf ihm einen scharfen Blick zu.
»Dann hat mein König also schon genug?«, fragte er.
»General, dein Ton gefällt mir nicht«, fuhr Ahmose dazwischen. »Möglicherweise gilt das Leben eines Wilden in Wawat nicht mehr als das eines Tieres, aber wir hier in Ägypten sind keine Wilden.« Hor-Aha musterte ihn gelassen.
»Vergib mir meine Worte, Prinz«, sagte er ruhig. »Sie sollten keine Beleidigung sein. Aber die Setius sind Wilde. Das sind keine Menschen. Menschen sind nur die Angehörigen meines Stammes in Wawat und die, die innerhalb der Grenzen meiner neuen Heimat leben.« Ahmose blickte ratlos, doch Kamose lächelte. Er kannte den absonderlichen Glauben der meisten primitiven Stämme, dass es außerhalb ihrer Gemeinschaft keine Menschen gab. Ähnelt diese Überzeugung nicht dem Argwohn der Ägypter gegen alles außerhalb ihrer Grenzen?, überlegte er. Unser Schatz ist die Maat. Die hat niemand sonst. Ägypten ist ein gesegnetes Land und wird von den Göttern auf einmalige Weise bevorzugt. Einst hat das jeder Bewohner fest und innig geglaubt, doch diese Gewissheit hat sich verflüchtigt. Hor-Aha hat Recht. Ägypten muss wieder so rein wie früher werden.
»Daschlut hat mich erschüttert«, sagte er zu seinem Bruder. »Aber Hor-Aha sieht klarer, Ahmose. Warum die eine Stadt und die andere nicht? Chemmenu muss dem Erdboden gleichgemacht werden.«
»Das wird den Fürsten aber nicht gefallen«, erwiderte Ahmose.
»Die Fürsten wollen Mann gegen Mann kämpfen, wie es unsere Vorfahren getan haben«, sagte Kamose. »Das ist ein ehrenhafter Krieg. Aber diese Einstellung kann man sich nur leisten, wenn der Feind genauso empfindsam ist wie man selbst. Noch stehen wir nicht im Krieg. Vielleicht in Auaris,
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