In der Oase
später erforderlich sein. Er sah Sarenputs Blick zu den Schiffen und ihrer todbringenden Besatzung wandern. Die Soldaten am Ufer musterten sie auch, wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Und wie auf ein unhörbares Signal hin, das unter ihnen weitergegeben wurde, machten sie kehrt und rannten mit den Waffen in der Hand in den Schutz der Mauern. Kamose hob die Hand. Unverzüglich hagelte es Pfeile von den Schiffen auf sie herunter.
»Die Soldaten da werden wohl nicht sehr oft gedrillt«, meinte Ahmose. »Hör nur, wie sie brüllen.«
»Sie haben sich einen Angriff vom Nil nicht vorstellen können«, antwortete Kamose knapp. »Die Überlebenden werden nicht verfolgt, Ahmose. Noch nicht. Das Heer kann jeden Augenblick eintreffen.« Ein Aufschrei Anchmahors unterbrach ihn, und als er sich umdrehte, erblickte er die Staubwolke, die Hor-Aha und das Heer ankündigte. Grimmig sah er zu, wie sie sich verzog, und dann konnte man auch schon die Vorhut sehen, die in Viererreihen herantrabte und gnadenlos auf Chemmenu zumarschierte. Er musste keine Befehle geben. Hor-Aha wusste, was er zu tun hatte. Jetzt werden wir ja sehen, wie beflissen die Fürsten das ausführen, was ihnen der schwarze Mann befiehlt, dachte er.
Nach kurzer Zeit konnte man auch den rhythmischen Schritt der Marschierenden hören, eine unheilvolle Begleitmusik zu den gelegentlichen lauten Befehlen der Hauptleute, und dann die jähe Stille, die sich über Chemmenu legte. Die Frauen waren von den Mauern verschwunden. Das Dach von Thots Tempel lag verlassen und schimmernd in der Sonne, und als Kamose es besorgt musterte, fiel ihm auf einmal ein, dass ihn seine Mutter gebeten hatte, erst dem Gott zu opfern, ehe er die Stadt einnahm. Dazu war es jetzt zu spät. Die Fußsoldaten näherten sich den Mauern, verteilten sich, zogen die Waffen, und das unnatürliche Schweigen wurde durch den Lärm des bevorstehenden Gemetzels gebrochen. Kamose wandte sich an den Soldaten hinter ihm. »Die Medjai sollen nach Neferusi fahren«, sagte er. »Sie sollen die Festung umzingeln, alle fünftausend, und dann warten. Niemand darf ihrem Netz entkommen. Erinnere die Befehlshaber daran, dass es neben dem Nil westlich von Neferusi noch einen Flusslauf gibt, der muss auch bewacht werden. Das ist alles.« Der Mann salutierte und ging.
»Dieser kleinere Nebenfluss des Nils zieht sich von Daschlut ganz nach Ta-sche«, warf Ahmose ein. »Neferusi heißt mit Recht ›Zwischen-den-Ufern‹. Wenn ich Teti wäre, ich würde meine Familie auf ein Floß schaffen und so schnell wie möglich nach Norden fahren, aber nicht auf dem Nil. Mittlerweile ist er vielleicht schon fort, Kamose.«
»Vielleicht«, bestätigte Kamose mit einem Nicken. »Wir wissen, dass er eine Memme ist. Aber ich glaube, er wird bleiben, bis er sicher ist, dass er die Festung halten kann. Er ist nicht dumm. Falls er flieht und die Verteidigung von Neferusi Meketra überlässt und Meketra uns irgendwie besiegen kann, ist seine Glaubwürdigkeit dahin und er hat Apophis’ Gunst verloren. Er hält seinen Fluchtweg für sicher, daher kann er für kurze Zeit den Helden spielen.«
»Was wissen wir über Neferusi?«, fragte Ahmose. »Oder übrigens über Meketra? Was für ein Mann ist das?« Kamose hob die Schultern.
»Ich bin nie weiter nördlich als bis Chemmenu gekommen«, antwortete er. »Die Späher berichten, dass die Festung groß ist und Mauern hat, dass sie näher am Nil als am Nebenfluss gelegen ist und dass die Tore nach Westen und Osten groß genug für Streitwagen sind. Sie schätzen die Besatzung dort auf fünfzehnhundert Mann. Was Meketra angeht…« Kamose zögerte. »Der war einst Fürst von Chemmenu und befehligt jetzt Neferusi. Mehr wissen wir nicht über ihn. Ich habe getan, was ich im Augenblick tun kann, Ahmose. Was mich beunruhigt, ist eine eventuelle Belagerung, wie kurz auch immer. Wir dürfen auf solch armselige Unternehmung weder Zeit noch Proviant verschwenden, aber wir dürfen Neferusi auch nicht heil hinter uns zurücklassen.«
Er hatte die Stimme erhoben, und seine letzten Worte musste er fast schreien, damit er das Getöse übertönte, das von der anderen Seite des Wassers zu ihnen herüberdrang. Eine Rauchwolke kräuselte sich in die Luft von einem Feuer irgendwo in der Nähe des Tempels, und als sie sich umdrehten, sahen sie, wie die trockenen Wedel einer Palme dunkelgolden aufflammten.
Gegen Sonnenuntergang war alles vorbei, und am Ufer wimmelte es von Soldaten, die ihre kleinen
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