In der Oase
dass der Gestank Apophis in die Nase steigt, so wie der Lärm der Nilpferde meines Vaters seine Ohren beleidigt hat.« Er wagte nicht weiterzusprechen. Der Mann salutierte und schritt zur Laufplanke und Kamose ging in die Kabine. Ahmose saß mit verschränkten Armen zusammengesunken auf einem der Feldstühle.
»Die Garnison dürfte größtenteils aus Setius bestanden haben«, sagte er. »Obwohl sie sich vermutlich gar nicht mehr für Fremdländer halten. Die Stadtbewohner…«
Kamose zuckte zusammen. »Nicht jetzt, Ahmose! Bitte!« Er wandte seinem Bruder den Rücken zu, sank zu Boden, und nun überfiel ihn jäh das Elend und er weinte.
Den ganzen Nachmittag über wurden die Toten zum Ufer geschleift, und als man keine mehr fand, schickte Kamose Achtoi und seine Diener aus, dass sie die Frauen und Kinder in die Häuser scheuchten. Dann gab er den Befehl zum Anzünden, und die Schiffe machten sich aufbruchbereit. Gegen Sonnenuntergang erhielt er Kunde von seinen Divisionen, die noch immer unbeirrt gen Norden marschierten, und entschied sich dafür, vier Meilen weiter nördlich, auf halbem Weg zwischen den Ruinen von Daschlut und der Herausforderung Chemmenu, zu warten. Nachdem sich Achtoi der ekelhaften Pflicht entledigt hatte, die Kamose ihm aufgebürdet hatte, kam er an Bord zurück und kümmerte sich um das Abendessen seines Gebieters, doch weder Kamose noch Ahmose wollten etwas essen. Sie saßen zusammen mit einem Krug Wein an Deck, als Daschlut außer Sicht glitt, während der fettige schwarze Rauch von den brennenden Leichen als dicke Säule hochstieg, die vor dem friedlichen, dunkler werdenden Himmel stand.
Eine gute Stunde später legten sie an, und Kamose fiel in einen dumpfen Schlaf, aus dem er mit einem Ruck erwachte. Die Nacht war ruhig. Kein Lüftchen rührte sich und der Fluss spiegelte friedlich die hell funkelnden Sterne, als Kamose die Kabine verließ. Sofort stand sein Leibdiener von seiner Matte auf, doch Kamose bedeutete ihm, er solle sich wieder hinlegen, dann watete er in den Nil.
Das Wasser war kalt und er musste tief Luft holen, doch er tauchte unter, schwamm auf den Grund zu und ließ sich langsam wieder hochtreiben, bis er bäuchlings mit dem Gesicht nach unten dalag. Später watete er zurück ans Ufer, stellte sich in den Schutz einiger Büsche, hob die Arme zum Himmel und begann zu beten.
Er wusste nicht, wie lange er dort geblieben war, doch als sich die Morgendämmerung in dem Gebüsch ringsum andeutete und er einen flüchtigen Windstoß verspürte, ging er zum Schiff zurück. Die Medjai rührten sich, unterhielten sich leise miteinander, und auf dem Ufer flackerten die ersten zögernden Flammen der Kochfeuer auf. Achtoi kam ihm entgegen, als er an Bord kam. »Majestät, hier ist eine Rolle aus Waset«, sagte der Haushofmeister. »Willst du essen, bevor du sie liest?« Kamose nickte. »Außerdem wartet ein Späher auf dich.«
»Lass ihn kommen.«
Ahmose begrüßte ihn ernst, als er die Kabine betrat, und er antwortete genauso, während er darauf wartete, dass sein Leibdiener heißes Wasser und frische Wäsche brachte. Er ließ den Späher eintreten und hörte sich seine Nachricht an, derweil man ihn ankleidete. Überlebende aus Daschlut waren während der Nacht unterwegs nach Norden am Wegesrand gesichtet worden, und binnen eines Tages würde das Heer aufgeholt haben. Kamose sagte zu Ahmose: »Teti wird noch vor Mittag von der Einnahme Daschluts hören. Sehr gut. Hoffentlich erzittert er in seinen juwelengeschmückten Sandalen.«
»Er wird auf der Stelle Kunde an Apophis schicken«, meinte Ahmose. »Das ist gut und schlecht zugleich. Die Städte längs des Flusses haben Angst, aber Apophis ist gewarnt.«
Ahmose hielt die Rolle hoch.
»Von Großmutter«, sagte er. »Es ist ihr Siegel. Tetischeris Schreiber hat eine unverwechselbare Handschrift. Die Hieroglyphen sind winzig klein und die Worte eng geschrieben, jedoch erstaunlich leicht zu lesen.« Kamose ließ sich auf die Kante seines Feldbettes sinken, und auf einmal hörte er die Stimme seiner Großmutter, liebevoll und trotzdem scharf und beißend. »Grüße an Seine Majestät König Kamose Tao. Ich übermittele dir die Gebete und innige Liebe deiner Familie, lieber Kamose, zusammen mit unserer tief empfundenen Sorge um dein Wohlergehen. Ich habe, wie versprochen, die Innereien des eingegangenen Bullen geprüft und habe im Fett auf seinem Herzen eindeutig den Buchstaben ›A‹ ausmachen können. Nachdem ich hin und her
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