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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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kannte die Stadt Auaris. Wenn wir nicht Kindheitsfreunde wären, wenn er einer meiner Hauptleute wäre, würde ich dann zögern, ihn als Spion auszuschicken?, fragte er sich so ehrlich wie möglich. Und stelle ich nicht meine Einsamkeit über Ägyptens Wohl? Am Ende schob er die Fragen beiseite. Dafür war noch Zeit auf dem langen, heißen Weg vom Nil in die Oase.
    Kurz nach Sonnenuntergang kamen sie an Daschlut vorbei, doch die letzten Strahlen der Sonne verweilten noch. Schweigen senkte sich auf die Reisenden, als das Dorf, das bereits im Schatten lag, vorbeizog. Nichts bewegte sich. Kein Hund bellte, im Zwielicht planschten keine Kinder im Wasser, aus dunklen Toreingängen wehten keine Kochgerüche zu ihnen. Schwarzer Sand lag zwischen dem Fluss und den ersten Häusern, und als Kamose hinsah, spürte er wieder den Pfeil auf seiner Handfläche und das glatte Gewicht seines Bogens, als er ihn abschoss. Der Name des Bürgermeisters hatte Setnub gelautet, fiel ihm ein. Setnub, aufgebracht und bestürzt, Setnub, dessen verkohlte Gebeine unter denen seiner Dorfbewohner bei den Resten lagen, die vom Brand übrig geblieben waren. »Wo sind sie?«, murmelte er. Ahmose bewegte sich neben ihm.
    »Sie sind da«, sagte er ruhig. »Die Äcker sind zwar nicht in Schuss, aber jemand hat versucht zu säen. Es musste getan werden, Kamose. Das wissen wir beide. Die Frauen und viele Kinder sind zurückgeblieben. Daschlut ist nicht völlig tot.«
    Sie verbrachten die Nacht gerade außer Sichtweite von Chemmenu, doch Kamose schickte Meketra eine Botschaft und kündigte ihm ihr Kommen an, und am Morgen wartete oberhalb der Bootstreppe eine Gesandtschaft zu ihrer Begrüßung. Kamose kam die Laufplanke heruntergeschritten, nahm auf dem Pflaster die Huldigung der dort versammelten Männer entgegen und bemerkte zu seiner Erleichterung, dass der Fürst die Wintermonate nicht müßig hatte verstreichen lassen. Nirgendwo fand sein Auge noch Zeichen des Gemetzels vom vergangenen Jahr. Auf dem Anleger herrschte Geschäftigkeit. Beladene Esel drängelten sich zwischen Nil und Stadt. Kinder rannten schreiend herum, die großen Gemeinschaftsöfen rauchten, und am Ufer stand eine Gruppe Frauen knietief im Wasser, klatschte Wäsche auf die Steine und schwatzte. »Du bist nicht untätig gewesen, Fürst«, bemerkte er anerkennend, als sich Meketra aus seiner Verbeugung aufrichtete, und zusammen strebten sie der Stadt zu. Meketra lächelte.
    »Ich habe die überlebenden Männer aus Daschlut mit ihren Familien aufgenommen«, sagte er beflissen. »Viele sind es nicht, aber ich habe sie sofort an die Arbeit geschickt. Die Straßen sind sauber und die Häuser getüncht. Viele stehen natürlich leer. Die Witwen sind zu Verwandten gezogen. Sie arbeiten im Austausch für Nahrung aus den Speichern und Lagerhäusern auf Chemmenus Feldern. Aber du schickst uns Männer, wenn der Krieg vorbei ist, ja, Majestät?«
    Kamose kämpfte gegen die Verärgerung, die Meketras selbstbeweihräuchernder Redefluss ausgelöst hatte. Der Fürst hatte viel geschafft, seit Kamose ihn von Neferusi wegbefohlen und auf dem Landsitz angesiedelt hatte, den Teti bewohnt hatte. Auf den Straßen waren die blutgetränkte Erde weggeschafft und der Abfall fortgebracht worden, und wo einst Blutflecke gewesen waren, strahlten weiße Wände. »Herzlichen Glückwunsch«, rang er sich ab und zwang sich, Wärme in seine Stimme zu legen. »Sehr gut gemacht, Meketra. Natürlich kann ich dir noch nichts versprechen, und selbst wenn ich siege, muss ich ein stehendes Heer behalten, aber ich werde deine Bitte nicht vergessen.« Sie waren jetzt bei der breiten Straße angelangt, die zu Thots Tempel führte, und Kamose blieb stehen. »Ich muss dem Gott meine Aufwartung machen«, fuhr er fort. »Alsdann wollen wir mit dir frühstücken.« Er wartete nicht auf Meketras Verbeugung, sondern wandte sich hastig ab, und Ahmose folgte ihm.
    »Sieh dich vor, Kamose«, flüsterte Ahmose, als sie sich dem Pylon näherten. »Lass ihn nicht merken, dass du ihn nicht magst. Er hat hier tatsächlich Wunder vollbracht.«
    »Ich weiß«, sagte Kamose. »Es ist mein Fehler, nicht seiner. Dennoch sagt mir eine innere Stimme, dass er für jede Heldentat und jeden Gefallen die zehnfache Belohnung erwartet, als Beförderung oder als sonst was. Das ist keine Treue.«
    »Doch, irgendwie schon«, murmelte Ahmose trocken, »aber nicht unbedingt das, was man von einem Edelmann erwartet. Dennoch, er ist nützlich.« Treu, dachte

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