In der Oase
Lapislazuli innerhalb der goldenen Königskartusche, die von zwei aufgebäumten Löwen flankiert war und deren in Gold eingelassene Leiber ebenfalls aus Lapislazuli waren. Der schwere Schmuck hatte etwas Kraftvolles und ursprünglich Schönes zugleich. Kamose staunte ihn an, ließ sich fesseln vom Spiel des Sonnenlichts auf dem kostbaren Metall und dem schimmernd satten blauen Stein. Darunter lag aufgerollt eine feste Doppelschnur aus Flachs. Nach einem Weilchen nahm Kamose den Schmuck und streckte ihn Amunmose hin.
»Binde ihn mir um«, befahl er mit erstickter Stimme, und der Hohe Priester gehorchte, band Kamose den Schmuck um den Oberarm und zog die Schnur fest. Bei seiner Berührung erzitterte Kamose. Etwas in ihm löste sich, er ergriff Amunmoses Hände und hob sie zu seiner Stirn. »Ich habe in den vergangenen vier Monaten Frieden in Amuns Haus gefunden«, sagte er mit belegter Stimme. »Richte den Handwerkern aus, dass ich vorhabe, Amuns Lager mit so viel Gold zu füllen, dass sie mehr als ihr Leben lang zu tun haben, um daraus etwas herzustellen. Sei bedankt, Amunmose.« Er blickte keinen mehr an, sondern machte auf den Fersen kehrt, rannte die Laufplanke hinauf und auf das Deck seines Schiffes, und Anchmahor folgte ihm. Nach einer letzten Umarmung seiner Gemahlin gesellte sich auch Ahmose zu ihm, und Kamose gab den Befehl zum Ablegen.
Sofort drehte sich der Bug des Schiffes nach Norden, als hätte es auf das Loslassen gewartet, und als Kamose spürte, wie die Planken unter seinen Füßen lebendig wurden, packte ihn die Vorfreude. »Dieses Mal ist es anders«, meinte Ahmose. »Wir führen eine Arbeit fort, die gut angelaufen ist, was, Kamose?«
»Ahmose«, sagte dieser langsam. »Weißt du irgendetwas über ein Orakel im Tempel aus diesem Winter?« Ahmose hielt den Blick auf das vorbeigleitende, üppig grüne Ufer gerichtet.
»Die Frage hast du bereits dem Hohen Priester gestellt«, sagte er nach einer Pause. »Was bringt dich auf den Gedanken, ich wüsste etwas, was Amunmose nicht weiß?« Das ist keine Antwort, dachte Kamose, aber er verfolgte das Thema nicht weiter. Sein Schiff befand sich schon in der Biegung des Flusses, die Waset seinen Augen entzog, und seine Familie war nicht mehr zu sehen.
Im vergangenen Jahr hatte die kleine Flotte acht Tage bis Qes benötigt, wenn man die Zeit nicht mitrechnete, die er und Ahmose unterwegs für das Sammeln der ausgehobenen Männer gebraucht hatten. Dieses Mal würde es keine Verzögerungen geben. Die Schiffe würden jeden Abend in einer geschützten Bucht anlegen, man würde auf dem sandigen Ufer Kochfeuer entzünden, die Bootsleute würden singen und ihr Bier trinken, ohne dass sie sich vorsehen mussten, und Ahmose und ich, so überlegte er, während er bequem im hölzernen Schutz des Bugs saß, wir können viele Nächte friedlich schlafen. Herolde sind nach Het nefer Apu und in die Oase geschickt worden. Man erwartet uns. Das ganze Land zwischen Waset und dem Delta gehört uns, und es wird keine Überraschungen geben. »Mir fällt auf, dass auf den Feldern schon ein paar Bauern sind«, meinte Ahmose. »Aber nur wenige davon sind Männer.« Er stützte sich auf die Reling und betrachtete abwechselnd das Ufer und ihr rauschendes Kielwasser, und jetzt zog er sich einen Schemel neben seinen Bruder. »Es ist noch etwas früh, aber in diesem Jahr scheint das Hochwasser etwas schneller zurückgegangen zu sein. Die Strömung ist wirklich stark. Wir kommen, glaube ich, gut voran.« Kamose nickte. »Die Arbeit ist nicht übermäßig anstrengend«, fuhr Ahmose fort. »Nur eintönig. Die Frauen schaffen die Aussaat recht gut, und vielleicht können wir ihnen im nächsten Frühling ihre Männer zurückgeben. Sollen wir die Medjai behalten, Kamose?«
»Nachdem wir Auaris geplündert haben, meinst du?«, entgegnete der sarkastisch. »Lass uns erst einmal den Fluss hinter uns bringen, Ahmose. Im Augenblick will ich nicht weiter denken als bis zu dieser Stunde.«
»Na schön«, sagte Ahmose gutmütig. »Ehrlich gesagt, es tut gut, wieder auf einem Schiff mitten auf dem Nil und umgeben von Männern zu sein, die sich erneut auf ein Abenteuer einlassen, das es wert ist. Ich fühle mich so frei, dass ich mich gern ein-, zweimal betrinken möchte, ehe wir zum Heer stoßen.« Er lachte. »Ich habe keine Angst vor den kommenden Monaten, Kamose.«
»Ich auch nicht«, gestand Kamose. »Und du hast Recht. Ich liebe die Familie zwar, aber ich habe auch nichts dagegen, die
Weitere Kostenlose Bücher