In der Oase
Kamose. Nützlich. Sind wir wieder beim Thema, Ahmose? Er bückte sich, zog seine Sandalen aus und wollte den großen Vorhof überqueren.
Er erkannte den Priester, der am Rand des Innenhofs stand und ihnen entgegensah. Der Mann neigte den Kopf, ein unpersönlicher Gruß, und seine Miene war undeutbar. Als sie ihn erreicht hatten, hielt Kamose seine Sandalen hoch. »Dieses Mal klebt kein Blut daran«, sagte er. Der kühle Blick fuhr zu Kamoses Hand und kehrte zu seinem Gesicht zurück.
»Hast du ein Geschenk mitgebracht, Kamose Tao?«, erkundigte sich der Priester.
»Ja«, sagte Kamose höflich. »Ich habe euch Fürst Meketra geschenkt. Lass dich warnen, Priester. Ich habe Nachsicht mit deiner verschleierten Dreistigkeit, weil ich mich beim letzten Mal, als ich Thots Bezirk betrat, nicht gereinigt hatte, aber hier endet meine Duldsamkeit. Ich kann Meketra befehlen, dich zu versetzen. Du bist ein Mensch, der sich nicht fürchtet, seinen Gott und seine Auffassung von Maat zu verteidigen, und dafür bewundere ich dich, aber ich werde dich ohne zu zögern bestrafen, wenn du dich weigerst, mir die Ehrerbietung zu erweisen, die meinem Blut zusteht. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Durchaus, Majestät.« Der Mann trat beiseite, doch er verbeugte sich nicht. »Tritt ein und erweise Thot die Ehre.«
Sie durchquerten den kleineren Innenhof, machten ihren Fußfall vor den Türen zum Heiligtum und beteten stumm, doch Kamose bezweifelte, dass seine Worte Gehör fanden, denn er konnte sich nicht sammeln. Er erinnerte sich an die Verwundeten, die im Vorhof gelegen hatten, an die schluchzenden Frauen, die wenigen abgehetzten Ärzte, an die Atmosphäre von Feindseligkeit, durch die er und Ahmose gewatet waren wie durch Schmutzwasser. Chemmenu wird mir nie gehören, dachte er, als er sich erhob. Es hat Teti und davor zu lange Apophis gehört. Und was ist mit dir, erhabener Thot, mit deinem Ibisschnabel und deinen winzigen, wissenden Augen? Freust du dich, dass Ägypten nach deinem göttlichen Willen neu geformt wird, oder steht dein göttlicher Wille gegen Amuns?
Es störte ihn, in dem Empfangssaal zu sitzen, in den er so viele Male während seiner Kindheit gekommen war, und Fremde zu sehen, die sich über die Tischchen beugten und zu ihm mit Stimmen sprachen, an die er sich nicht erinnerte. Fast alle Möbel Tetis waren verschwunden, aber Kamose merkte, dass die Stücke, die Meketras Gemahlin behalten hatte, überaus schön und kostbar waren. Er dachte an seine eigene Mutter, die unter ähnlichen Umständen gewiss alles weggegeben und auch nicht den kleinsten Gewinn aus dem Sturz eines anderen gezogen hätte.
Meketra saß da und lächelte huldvoll, während seine Familie kunstlos schwatzte und die königlichen Brüder mit Geschichten über ihr Elend außerhalb der Festung ergötzte, über die Kälte und Unhöflichkeit von Tetis Gemahlin und natürlich über Meketras unendliches und selbstloses Bemühen, Chemmenu wieder aufzubauen. Zu guter Letzt war Kamose gezwungen, sie mit unverkennbarer Autorität daran zu gemahnen, dass sie seine angeheirateten Verwandten schlecht machten, und dann konnten sich er und Ahmose endlich und ungemein erleichtert verabschieden. »Gut möglich, dass Apophis Meketra nach Neferusi geschickt hat, damit Chemmenu diese Klatschbase los wird«, bemerkte Ahmose, während Anchmahor und die Getreuen sie umringten und mit ihnen zum Schiff zurückgingen. »Tetis Diener hat sie abgeschoben, hast du das gemerkt, Kamose? Aber die Silberschüsseln, die Aahotep Nofre-Sachuru geschenkt hat, die hat sie behalten.«
»Sie haben keine Manieren«, bestätigte Kamose. »Aber das ist ein kleines Ärgernis, verglichen mit der Frage, ob Verlass auf sie ist oder nicht. Dank Amun müssen wir uns darum jetzt keine Sorgen machen! Achtoi, bring mir Wein aus Waset. Ich habe einen schlechten Geschmack im Mund.«
Neferusi war nur ein kurzes Stück stromabwärts gelegen, und auch hier hatte sich wie in Chemmenu viel verändert. Als sein Schiff in der spätnachmittäglichen Hitze auf das Ufer zukreuzte, suchte Kamoses Blick vergeblich nach den dicken Mauern und den starken Toren, die ihn sehr aufgehalten hätten, wenn da nicht Meketra gewesen wäre. Stattdessen allüberall Abfallberge, geborstene Steine und gesplitterte Lehmziegel, unter denen Bauern nach Verwertbarem suchten. Der Hauptmann, den Kamose mit dem Schleifen beauftragt hatte, bahnte sich einen Weg zum Fuß der Laufplanke und verbeugte sich, als Kamose und Ahmose
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