In der Oase
Schatten in der brütenden Hitze regungslos und irgendwie unheildrohend auf die blutbespritzte Erde fielen. Die hinter Kamose aufgebauten Fürsten, ihre teilnahmslosen Gesichter und Kamose selbst mit zusammengekniffenen Augen, wie er am Pfeil entlangvisierte, das Auffunkeln seiner Ringe, als er den Bogen packte, seine ruhige Hand. Diese verflucht kaltherzige, ruhige Hand…
Da er diese Bilder nicht abschütteln konnte, hatte Ramose zu dem Einzigen gegriffen, was ihm Halt bot, und war dabei in ein ganz anderes Gefängnis geraten, aber trotz allem ein Gefängnis. Er saß mit Tani auf der Bootstreppe des Tao-Anwesens, sie hatte ihren Arm durch seinen geschoben, und ihre warme Schulter rieb sich an seiner. Eine kühle Brise zerzauste ihr das Lockenhaar und kräuselte die glitzernden Fluten des Nils. Tani plapperte über etwas Alltägliches, ihre kleinen Hände gestikulierten, ihr Gesicht wandte sich einmal ihm, dann dem Fluss zu, aber er hörte nicht zu. Hinter seinem gesetzten Lächeln überließ er sich ganz dem sachten Wehen ihres duftenden Leinenkleides an seiner Wade und wie sich ihre Haut an seiner anfühlte und dem Klang ihrer Stimme.
Diese Bilder hatten nichts Sinnliches. Und so gelang es ihm, in den Armen seines Phantasiebildes einzuschlafen. Zuweilen ging es in einen Traum über, und er und Tani blieben bis zum Morgengrauen zusammen, aber bisweilen kehrte auch sein Vater zurück, und Tani verblasste, ein flüchtiger Geist, vertrieben durch Tetis Todeskampf. Daher gelangte Ramose in seinen wachen Stunden zu der Überzeugung, dass nur der Vollzug dieser Liebe im Fleisch, nur die Erfüllung ihres Versprechens aus glücklicheren Zeiten die Vergangenheit zum Ruhen bringen konnte.
Er hatte mit dem hilflosen Schmerz eines liebenden Sohnes um die schlimmen Charakterfehler seines Vaters gewusst. Er hatte Kamose, seinem König, die unvermeidliche Vergeltung verziehen, doch er kämpfte mit zwiespältigen Gefühlen. Da war Kamose in seiner ganzen Pracht als König, und da war der andere Kamose, sein Freund. Den König achtete und fürchtete er, doch seine Liebe galt dem Freund. Er konnte die beiden jedoch nicht mehr genau auseinander halten und hatte Angst, dass sein Freund langsam vom König geschluckt wurde.
Am Morgen aß er ein karges Mahl, frisches Brot, knackigen Salat und braunen Ziegenkäse, ehe er sich zum Nil aufmachte und seinen Setiu holen ließ. Ein kleines Boot lag am Ufer vertäut, die Mannschaft aus zwei Ruderern und einem Steuermann wartete bereits auf ihn, das einzige dreieckige Segel war noch um den Mast gewickelt. Ramose ging an Bord und sah nach, ob die kostbare Rolle für Apophis noch in seinem Gepäck war, dann setzte er sich und sah zu, wie der Gefangene an Deck gebracht wurde. Man hatte dem Mann offensichtlich erlaubt, sich zu waschen und in Ordnung zu bringen. Haar und Bart waren gekämmt, und er hatte geschlafen und war ausgeruht.
Am ersten Tag erreichten sie beinahe Ta-sche. Sie waren beschaulich durch eine Stille gefahren, die Ramose zunächst entzückte. Nach den Monaten in der Oase und seinem Routineposten als Späher in der Wüste kam ihm das satte Frühlingsgrün himmlisch vor. Doch bald ging ihm auf, dass an vielen Schadufs der Kanäle, die winzige Felder bewässerten, keine Männer standen, sondern die wenigen Menschen Frauen waren. Dörfer lagen still oder teilweise zerstört. Auf jedes Feld mit jungem, üppigem Korn kamen zwei, auf denen das Unkraut die neue Aussaat erstickte. Bisweilen tauchten Kinder auf, die nackt im seichten Wasser herumplanschten oder Ochsen hüteten, die sie zum Tränken an den Nil geführt hatten, und dann bildete sich Ramose ein, Ägypten hätte sich nicht verändert, doch sonst wirkte das Land trotz der hoffnungsfrohen Jahreszeit trostlos. Kamose hat gute Arbeit geleistet, dachte Ramose. Er hat so viel zerstört, dass niemand mehr den Mut hat, sich ihm zu widersetzen.
Am zweiten Abend legte er in Iunu an, doch er verließ das Boot nicht zum Erforschen der Stadt. Sein Gefangener hatte noch immer nichts gesagt, abgesehen von knappen Bitten um Wasser oder Schatten. Ramose hatte ihm sogar erlaubt, mit den beiden Ruderern schwimmen zu gehen, und hatte ihm vom Ufer aus zugesehen. Nachts blieb er an den Mast gebunden, lag zusammengerollt auf einer Decke und schnarchte gelegentlich.
Als Ramose das Delta erreichte, schlug er den breiten, östlichen Nebenarm ein und fuhr am Mittag des dritten Tages auf dem Wasser an Nag-Ta-Hert vorbei. Die Ruinen der Setiu-Festung,
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