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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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darauf vertrauen, dass ich dich nicht verraten habe. Hast du eine Botschaft für Tani?«
    »Das würde einen ganzen Tag dauern«, sagte Kamose wehmütig. »Sag ihr, dass wir alle für sie beten, dass wir ständig in Gedanken bei ihr sind. Ich möchte sie nicht beunruhigen, Ramose. Und ich möchte auch nicht, dass du die kostbare Zeit mit ihr mit Gesprächen über ihre Familie vergeudest.«
    Es entstand eine Pause, dann sagte Ramose vorsichtig: »Glaubst du, dass sie noch am Leben ist, nachdem du die Übereinkunft mit Apophis gebrochen hast?«
    »Das war keine Übereinkunft«, sagte Kamose hart. »Es hat nur Apophis’ Versprechen gegeben, ihr nichts anzutun, solange der Rest von uns macht, was man ihm sagt. Wir müssen daran glauben, dass sie lebt, dass Apophis nicht so verrückt ist, eine Edelfrau umzubringen. Er hätte Ahmose und mich hinrichten und unsere Frauen verbannen sollen. Ich an seiner Stelle hätte es getan. Gemessen an seiner vorsichtigen Feigheit, könnte Tani noch leben.«
    »Ich fliehe mit ihr, wenn ich kann«, sagte Ramose. »Bei der kleinsten Gelegenheit rennen wir. Majestät, habe ich dazu deine Erlaubnis?«
    »Vorausgesetzt, du hast die Aufgabe erfüllt, für die du dich freiwillig gemeldet hast«, sagte Kamose bedächtig. »Die ist wichtiger als dein persönliches Herzweh, Ramose.« Die beiden Männer starrten sich einen Augenblick lang an, und Spannung lag in der Luft, doch dann machte Kamose einen Schritt und zog Ramose an sich. »Mein Freund«, sagte er leise. »Wir haben uns immer geliebt, aber jetzt bin ich König und muss die Anforderungen meines Amtes über Brudergefühle stellen. Verzeih mir.« Ramose entzog sich ihm.
    »Ich liebe dich auch, Kamose«, sagte er. »Ich werde den Auftrag, den ich übernommen habe, nach besten Kräften ausführen. Das hat nichts mit Zuneigung zu tun. Er ist wie geschaffen für mich.«
    »Das verstehe ich.« Kamose rang nach Fassung. Ich habe getan, was ich tun musste, dachte er bitter. Das siehst du doch ein, gewiss siehst du das ein! Glaubst du, es ist mir leicht gefallen, deinem Vater einen Pfeil in die bebende Brust zu schießen?
    Aber es war leicht, widersprach eine andere Stimme, die Stimme, die immer mehr seine Zweifel und Bedenken übertönte. Leichter, als von gegensätzlichen Treuegefühlen zerrissen zu werden, o Starker Stier, leichter, als den sanften Schmerz eines bekümmerten Freundes zu ertragen. Der Arm der Gerechtigkeit darf nicht zögern. »Dann gibt es nichts mehr zu sagen, als dich offiziell zu verabschieden«, sagte er laut. »Mögen deine Sohlen festen Tritt finden, Ramose. Geh mit dem Segen der Götter.« Ramose verneigte sich. Die beiden Männer standen unschlüssig da und wussten nicht, was sie noch sagen sollten, jeder suchte nach einem weiteren Wort oder einer Geste, die das, was ihre letzte Begegnung sein konnte, zu einem annehmbaren Ende bringen würde, doch das Schweigen zwischen ihnen wurde immer tiefer. Zu guter Letzt lächelte Kamose, neigte den Kopf und ging.
    Achtes Kapitel
    Als die Sonne die Farbe der Morgenröte verloren hatte, war die Oase am Horizont hinter Ramose schon zu einem verschwommenen Fleck geschrumpft. Vor ihm zog sich der Weg nach Het nefer Apu schnurgerade nach Osten, ein schmales Band festgetretener Erde, gesäumt von einer gnadenlosen Wüste. Ihm gegenüber schaukelte und schwankte der Setiu-Soldat, hatte die Füße in den Sandalen zwischen Ramoses gestellt und stützte sich mit den gefesselten Hände zwischen den Oberschenkeln auf dem Boden des Gefährts ab. Es war ein Mann mit ziemlich schwarzer Haut, einer ungepflegten schwarzen Mähne und einem zerrupften schwarzen Bart um volle Lippen. Der Wagenlenker stand über den beiden Passagieren unter dem schützenden Sonnendach, sang vor sich hin und sprach gelegentlich mit den beiden Pferdchen, deren Tritt eine stetige Wolke hellgelben Staub aufwirbelte. Um seine Beine lagen Beutel mit Essen und Schläuche voll Wasser gestapelt.
    Die Hitze nahm zu und Ramose kämpfte gegen den Schlaf an. Nicht etwa, dass der Setiu den Versuch machen würde zu fliehen, es sei denn, es gelang ihm, die beiden Mitfahrer zu töten und Streitwagen und Lebensmittel an sich zu bringen, doch das war eher unwahrscheinlich. Seine Handgelenke waren fest zusammengebunden, und ein Knöchel war lose am oberen Rand des Streitwagens vertäut. Er wird ein ständiges Ärgernis sein, bis wir Het nefer Apu erreicht haben, dachte Ramose. Wenn ich schlafen will, muss ich ihn jede Nacht an einem Baum

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