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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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waren stiller, eleganter gekleidet, und oftmals ging eine Leibwache vor ihnen her. An einer weiteren Querstraße kam Seths gewaltiger Tempel in Sicht, die Fahnen an seinen Pylonen flatterten gelegentlich in der nächtlichen Brise, ein winziges Licht durchdrang die Dunkelheit des Vorhofs, weil irgendein Priester noch tief im Inneren Andacht hielt. Der Offizier sagte etwas, und die Pferde klapperten nach links, doch als sie abbogen, erhaschte Ramose einen flüchtigen Blick auf ein riesiges Tor und dahinter auf einen offenen Hof. Der Exerzierplatz, dachte er, und die Kasernen. Wie viel Mann Apophis wohl hat? Wenigstens doppelt so viel wie wir, so jedenfalls sagt man.
    An einer langen Mauer wurde der Streitwagen langsamer, schwenkte ab und kam mit einem Ruck vor einer hohen Flügeltür aus Zedernholz zum Stehen. Eine viel kleinere Seitentür stand offen, und hier wartete ein Herold in Blauweiß, den königlichen Farben Ägyptens. Doch sein Amtsstab war keineswegs ägyptisch, sondern ein langer weißer, speerähnlicher Stock, an dem rote Bänder hingen. Auf der Spitze der Kopf eines Gottes in Blutfarbe. Sutech grinste Ramose unter einer kegelförmigen Mütze mit gedrehten Gazellenhörnern an. Er hatte wenig Ähnlichkeit mit Ägyptens Seth, dem rothaarigen Wolfsgott der Stürme und des Chaos, obwohl die Setius versicherten, beide Götter seien in Wirklichkeit ein und derselbe.
    Wortlos bestieg der Offizier, der sie hergefahren hatte, wieder seinen Streitwagen, doch der Herold schenkte Ramose ein Lächeln und bat ihn hinein. Schon wieder eine Tür, die hinter mir zugeht, dachte Ramose, als er und sein Begleiter gehorchten. Ich darf nicht an die Meilen zwischen mir und der Oase denken. Ich darf nicht vergessen, dass irgendwo in diesem Irrgarten Tani speist oder geschminkt wird oder mit einer Freundin plaudert. Ich muss an sie denken. Vielleicht spürt sie, dass ich da bin. Vielleicht hält sie in diesem Augenblick inne, hebt den Kopf, als ob sie etwas hinter dem Schein ihrer Lampe raunen hört, kräuselt ratlos die Stirn, während ihr Herz schneller schlägt.
    Der Herold führte sie jetzt einen breiten Weg zwischen ausgedehnten Rasenflächen entlang, auf denen viele Bäume standen. Von ihm zweigten andere Wege ab. Hier und da erblickte Ramose matten Lichtschimmer auf Wasser. Statuen säumten den Weg in regelmäßigen Abständen. Als Kind war er unbeschwert zwischen ihnen herumgelaufen, das wusste er noch, aber jetzt, im bläulichen Mondschein, wirkten sie fremdländisch-geheimnisvoll. Wo sie aufhörten, begannen die Büsche und die Beete mit den Zierblumen. Der Herold überquerte einen bekiesten Hof, auf dem viele Sänften abgestellt waren, und jetzt konnte Ramose Musik und fröhlichen Festlärm hören.
    Die Fassade des Palastes ragte vor ihm auf, zwei Reihen Säulen, zu deren Füßen sich Soldaten und Diener scharten und die von vielen flammenden Fackeln angestrahlt wurden. Zu seiner Rechten konnte Ramose die Quelle des Lärms ausmachen. Er drang aus einem Saal, der sich unmittelbar auf die Säulen öffnete. Geradeaus war der Empfangsbereich, doch der lag im Halbdunkel, und der Herold wandte sich nach links, führte Ramose und seinen ergebenen Gefährten um den Palast herum zu einer kleinen Tür, die auf der Hälfte des Wegs in die Mauer eingelassen war. Die öffnete er und verbeugte sich gleichzeitig, winkte Ramose hinein, hielt jedoch den Setiu davon ab, ihm zu folgen. »Auf dem Tisch stehen Erfrischungen für dich«, sagte der Mann freundlich zu Ramose. »Iss und trink, soviel du magst. Vielleicht musst du lange warten, aber irgendwann wirst du gerufen. Man hat mir gesagt, dass du eine Botschaft für den Einzig-Einen hast. Ist die mündlich oder schriftlich?«
    »Schriftlich.« Ramose holte die Rolle aus seinem Beutel und reichte sie weiter. Der Herold nahm sie, verbeugte sich erneut und machte leise die Tür hinter sich zu.
    Ramose atmete tief aus und blickte sich um. Das Zimmer war klein, aber gefällig mit niedrigen vergoldeten Stühlen und einem einzigen eleganten Tisch möbliert, auf dem eine Platte mit kaltem Geflügel, ein paar Scheiben Schwarzbrot, gekräuselte, knackig-frische Salatblätter mit Ziegenkäsestückchen, unterschiedliches Gebäck und ein Krug Wein standen. Hier und da lagen auf dem nackten Holzfußboden Kissen in leuchtenden Farben in einem fest gewebten Spiralmuster. Die hellbraunen Wände waren auch kahl, abgesehen von einem Fries, der oben unter der Decke verlief und ein ähnliches Muster aus

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