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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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festbinden. Er wich dem stetigen Blick des Mannes aus und blickte rückwärts auf den windverwehten Weg.
    Es ist schon schlimm genug gewesen, das Heer vom Nil in die Oase zu führen, ging es ihm durch den Kopf. Dort angekommen, mussten die Hauptleute die Männer von den Teichen wegpeitschen, bis sich säuberliche Reihen gebildet hatten, und das waren Männer aus dem Süden, die an die Entbehrungen und die gnadenlose Hitze des Schemu gewöhnt sind. Wie mag es Apophis’ Tausenden wohl nach drei solchen Märschen gehen, verweichlichten Stadtmenschen, die nichts anderes kennen als Obsthaine und Weingärten? Aus dem Delta nach Ta-sche, von Ta-sche nach Uah-ta-Meh, von Uah-ta-Meh nach Het nefer Apu?
    Ramose wischte sich den beißenden Schweiß aus den Augen. Er hatte sie gegen den sonnengleißenden Sand dick mit Kohl umrandet, doch sie taten noch immer weh. Seine Kehrseite ebenso. Der Setiu schlief jetzt, der Kopf war ihm auf die Schulter gesunken. Er hatte noch kein Wort gesagt, seit man ihn aus der Gefängnishütte geholt hatte.
    Sie brauchten drei Tage zur Durchquerung der Wüste, aßen abends kaltes Essen und lagen in ihre Umhänge gewickelt, während sich der Abend nach Sonnenuntergang allmählich ungemütlich abkühlte. Ehe er sich schlafen legte, band Ramose seinen Gefangenen an die Speichen des Streitwagenrades. Der Mann aß und trank, wenn man ihn dazu aufforderte, ohne jedoch etwas zu sagen. Er benahm sich weder mürrisch noch zaghaft, lediglich unendlich gleichgültig.
    Gegen Sonnenuntergang des dritten Tages hoben die Pferde die Köpfe und beschleunigten. »Sie riechen Wasser«, meinte der Wagenlenker. »Der Nil ist nicht mehr fern.« Ramose stellte sich hin und blickte nach vorn. Ein dünner Streifen Vegetation unterbrach die Einförmigkeit von Land und Himmel. Er sah, wie er größer wurde, und nach einer weiteren Stunde rumpelten sie in ihn hinein. Dahinter lagen die Stadt Het nefer Apu und die beengten Zelte und Schiffe von Kamoses Flotte.
    Ramose war zwar müde, ließ sich aber trotzdem zu Paheris Unterkunft fahren. Nachdem er den Wagenlenker angewiesen hatte, die Pferde zu tränken und zu füttern und sich um den Streitwagen zu kümmern, übergab er den Setiu Paheris Wachposten mit ungefähr den gleichen Anweisungen und ließ sich anmelden. Paheri war allein, er speiste gerade und begrüßte Ramose herzlich. »Leiste mir Gesellschaft«, lud er ihn ein und zeigte auf die Schüsseln ringsum. »Oder möchtest du erst baden? Was für Nachrichten bringst du aus der Oase?« Froh zog sich Ramose einen Schemel heran, und als sie gespeist hatten, erzählte er Paheri von Kamoses Entscheidung und seiner eigenen Aufgabe.
    »Seine Majestät wird dich auf dem Laufenden halten«, sagte er. »Was mich angeht, so muss ich ein paar Stunden schlafen und mich dann wieder auf den Weg machen. Kann ich eines deiner Boote haben, Paheri? Ich möchte zu Wasser reisen. Das spart einerseits Zeit, andererseits kann mein Gefangener nicht so leicht fliehen.«
    Nach dem Austausch von Artigkeiten entschuldigte sich Ramose, holte Natron aus seinem Gepäck und tauchte mitsamt seinem schmutzigen Schurz in den Nil. Als er und der Schurz dann sauber waren, war die Sonne ganz untergegangen. Er hatte sich noch überzeugen wollen, ob der Setiu versorgt worden war und sich hatte waschen können, aber beim Anblick der säuberlich am Fußende seines Feldbetts gefalteten Decke überlegte er es sich anders. Ich muss diesen leeren Blick morgen noch lange genug ertragen, dachte er, schnürte seine Sandalen auf und legte sich aufseufzend hin. Außerdem sind Paheris Soldaten sehr diszipliniert, die tun, was man ihnen sagt.
    Er zog die Decke hoch, schloss die Augen und beschwor das Bild herauf, das ihm Trost und Hoffnung gewesen war, seit er neben seinem Vater gestanden und mit angesehen hatte, wie sich die Muskeln an Kamoses kräftigen Armen wölbten, während er den Bogen spannte. Anfangs hatte er es heraufbeschworen, weil er die Erinnerung an jenen Tag verscheuchen wollte, denn wie ein ständig wiederkehrender Albtraum kamen die Bilder und Geräusche, ja, sogar die Gerüche des Exerzierplatzes in Neferusi trotz aller Willenskraft jedes Mal zurück, wenn er einschlafen wollte. Wie sich der Griff seines Vaters angefühlt hatte, wie er verzweifelt geklammert hatte, sein Angstschweiß. Der beißende Geruch seines Schweißes. Die völlige Stille, die sich über Männer gelegt hatte, die kurz zuvor noch laut und geschäftig gewesen waren, während ihre

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