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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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einem gewissen gespielten Zögern mit Falschinformationen füttern?«
    »Folter hat es bislang in Ägypten nicht gegeben, Majestät«, unterbrach ihn Ramose, nun wirklich erschrocken über Apophis’ Scharfsinn. Du hast ihn unterschätzt, Kamose, dachte er verzweifelt. Du hast ihn für schwach gehalten, weil er bislang nichts getan hat, damit Ägypten in seiner Hand bleibt, aber was ist, wenn er weiter sieht als du? Was ist, wenn ihm nichts an einem guten Ruf und Tapferkeit gelegen ist und er lieber durch Geduld und Schläue gewinnt? Aber vielleicht kennst du ihn dennoch und möchtest ihn deshalb so liebend gern aus seinem Schneckenhaus locken. »Das habe ich bereits gesagt«, fuhr er fort, wurde dabei absichtlich lauter und ballte betont die Fäuste. »Ich habe meinen Gebieter gebeten, mir diesen Auftrag zu geben. Ich habe darum gebettelt, und als er widerstrebend eingewilligt hat, bin ich auf die Knie gefallen und habe die Götter angefleht, dass sie Erbarmen mit mir haben und mich die Frau sehen lassen, die mir teurer ist als mein Leben!«
    Der junge Mann, der sich hinter Apophis gelümmelt hatte, löste jetzt die Arme, ging zu einem Stuhl, setzte sich, ordnete seine Kleidung und schüttelte den Kopf. »Ein Mann, der sich an der Leine seiner Leidenschaft führen lässt, hat etwas Rührendes«, bemerkte er. »Findest du nicht auch, Vater? Und in diesem Fall ist er durch sie blindlings in eine gefährliche Falle getappt. Vielleicht hätte ich mir Prinzessin Tani eingehender ansehen sollen, als sie hier eintraf, aber so wie die Dinge jetzt stehen…«
    »Gib Ruhe, Kypenpen«, ermahnte Apophis ihn scharf. »Blindlings getappt? Das wissen wir noch nicht. Du wirkst in der Tat ein wenig lächerlich, Ramose«, sagte er mit einem Anflug von Humor. »Aber ob du nun echt in Tani verliebt bist oder ob du nur eine gute Vorstellung gibst, das kann ich im Augenblick nicht entscheiden.« Er erhob sich jäh und schlug auf einen Gong. Sofort öffnete sich die Flügeltür und Nehmen trat unter Verbeugungen ein. »Such dem Mann da eine Unterkunft«, befahl Apophis. »Sag Kethuna, er soll ihn gut bewachen. Er darf sein Zimmer nicht verlassen, bis ich morgen nach ihm schicke. Ramose, du bist entlassen.« Ramose verneigte sich, drehte sich um und folgte dem Oberhofmeister auf den Flur.
    Der Raum, in den man ihn führte, enthielt nur ein Lager, einen Tisch und einen Schemel. Eine Tonlampe warf einen zuckenden Schein, der kaum bis zu den hässlich schlichten braungelben Wänden reichte, und auf dem Fußboden lag kein Läufer, doch eine Gefängniszelle war der Raum auch nicht. Es gab keine Fenster, nur drei schmale Schlitze oben unter der Decke, die Tageslicht und Luft hereinließen. Mit zitternden Fingern legte Ramose Gurt, Schurz und Sandalen ab, dann sank er auf das Lager und deckte sich mit der groben Decke zu. Morgen muss ich denken können, sagte er sich. Ich muss mir jede Frage vergegenwärtigen, die Apophis mir stellen könnte, und mir einleuchtende Antworten ausdenken. Sein Sohn Kypenpen gefällt mir gar nicht. Das hat irgendwie mit seinen Augen zu tun… Aber Apophis muss mir glauben, nicht sein Sprössling. Thot, bleibe bei mir, beschütze mich, schenke mir deine Klugheit. Gebe ich wirklich eine so lächerliche Figur ab? Er beugte sich vor und blies die Lampe aus.
    Er wachte auf, weil sich jemand über ihn beugte, und als er sich schlaftrunken aufsetzte, wurde der Jemand zu einem Jungen mit ängstlicher Miene, und hinter ihm stand ein Soldat. »Bist du jetzt wach?«, fragte der Junge hastig. »Ich habe dir Essen auf den Tisch gestellt. Wenn du gegessen hast, soll ich dich ins Badehaus führen.« Bei diesen Worten wich der Junge weiter vor ihm zurück.
    »Was ist?«, fragte Ramose, noch halb im Schlaf. »Stinke ich so?« Der Junge errötete und warf dem Wachposten einen Blick zu.
    »Er hört auf dumme Gerüchte, die unter den Küchendienern verbreitet werden«, sagte der Mann barsch. »Du sollst ein wilder General aus Waset sein, der dem Einzig-Einen Bedingungen diktieren will. Beeil dich und iss.«
    »Vielleicht weiß das gemeine Volk mehr als die Herrschaft«, murmelte Ramose und zog sich das Tablett heran. Es gab Brot, Knoblauchöl zum Eintunken und einen Becher Bier. Er aß und trank schnell, und als er fertig war, wickelte er sich in die Decke und folgte dem Jungen, der Soldat bildete die Nachhut. Das Badehaus war riesig, ein großer, nach oben offener Raum mit einem Brunnen, einer Feuerstelle zum Wassererhitzen und

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