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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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nicht sagen.«
    »Wie viele Soldaten stehen in der Oase unter seinem Befehl?« Ramose trat betont von einem Fuß auf den anderen.
    »Majestät«, sagte er leise. »Meine Befehle lauten, dir die Botschaft meines Gebieters zu überbringen. Mehr als das darf ich nicht tun.«
    »Und dennoch erwartest du, dass ich dich mit Prinzessin Tani sprechen lasse? O ja, sie lebt«, sagte Apophis ungeduldig. »Das erwartest du im Gegenzug für – was? Für die pflichtgemäße Ablieferung des gröbsten, beleidigendsten Briefes, den ich jemals gesehen habe?« Er wurde lauter. »Ich soll mich bei dir bedanken und dir dann uneingeschränkt bieten, was dein Herz begehrt, und das alles als Lohn für eine Gotteslästerung? Bist du ein Bauerntölpel, Sohn des Teti?« Seine Hand klatschte auf die Landkarte. »Du kannst deinen Göttern danken, dass du hier noch lebend stehst, anstatt ohne Kopf auf einem Abfallhaufen in Auaris gelandet zu sein! Beantworte meine Frage!« Ramose bemerkte hinter dem Wortschwall Unsicherheit, Unsicherheit mit einer Spur Angst. Apophis hatte bis gestern nichts von der Streitmacht in der Oase gewusst. Seine Selbstgefälligkeit war erschüttert. Er vertraute den Worten seines Herolds Yamusa und brauchte einen zweiten Zeugen, ehe er es wirklich glaubte. Ramose musste trotz seiner gefährlichen Lage innerlich grinsen.
    »Ich bitte um Vergebung, Majestät«, sagte er leise und demütig. »Aber ich vertraue auf die Ehre, die du als lebende Inkarnation der Maat verkörperst. An diese Ehre wende ich mich. Ich habe meine Pflicht meinem Gebieter gegenüber getan. Lass mich darum unbefleckt von Verrat zu ihm zurückkehren.«
    »Dein Mund besudelt sich mit heimlichem Hohn.« Apophis beugte sich über den Tisch. »Du glaubst nicht, dass ich die lebende Inkarnation der Maat bin. Du betest mich nicht als deinen König an. Deine Bewunderung gilt dem Emporkömmling und Sohn eines kleinen Fürsten aus dem Süden, der dem Irrglauben von Göttlichkeit anhängt und darüber vollkommen wahnsinnig geworden ist. Er hat deinen Vater getötet, dir dein Erbe gestohlen, deine Zukunft zerstört und dir dann großherzig gestattet, gestattet, hierher zu kommen, wo man dir sogar noch das Leben nehmen kann. Und diesen Mann nennst du deinen Freund? Deinen Gebieter?« Er hob die Hände und seine Geste zeigte sein entnervtes Nichtbegreifen. »Sieh dich um. Sieh die Größe meines Palastes, den Reichtum meiner Höflinge, den Umfang und die Stärke meiner Stadt. Das hier ist Ägypten! Das hier ist die Wirklichkeit! Wirst du jetzt mit mir reden!«
    Er war ein Meister der Überredungskunst. Das musste Ramose leider zugeben, als sich Apophis’ Argumente durch seine Schutzwälle stehlen wollten. Er forderte Ramose dazu auf, sich selbst als einen armen, genarrten Provinzler zu sehen, der einem gleichermaßen törichten, provinziellen Träumer folgte. Doch Apophis und sein schrumpfender Einflussbereich waren das Trugbild, nicht Kamose. »Tut mir Leid, Majestät«, sagte er zögernd. »Deine Worte mögen wahr sein, aber ich bin durch Ehrenwort gebunden, nur das zu tun, was man mir aufgetragen hat. Dein Herold hat dir gewiss alles erzählt, was du wissen möchtest.«
    »Falls das so wäre, würde ich dich nicht fragen!«, fuhr Apophis ihn an. »Und sei daran erinnert, dass du dich nach deinen eigenen Worten danach gedrängt hast, diesen Auftrag zu übernehmen in der heimlichen Hoffnung, du könntest bei der Ausführung deines Befehls deine eigenen, kleinen Ziele verfolgen. Hat Kamose davon gewusst?«
    »Nein.«
    »Dann bist du also nicht ganz so ehrenhaft, wie du vorgeben möchtest.« Er schwieg kurz, sein mit Kohl umrandeter Blick wanderte sinnend über Ramoses Gesicht, dann lehnte er sich zurück, winkte Yamusa und flüsterte dem Mann etwas ins Ohr. Yamusa nickte einmal, verbeugte sich und verließ den Raum. Apophis wandte seine Aufmerksamkeit wieder Ramose zu. »Die Frage ist die«, fuhr er im Plauderton fort, »ist dein Wunsch, die Prinzessin zu sehen, stärker als die ordnungsgemäße Erfüllung deiner Pflicht? Ich denke, eher Ersteres.«
    »Majestät«, setzte Ramose an und ließ dabei unterschwellige Verzweiflung in seiner Stimme hören, »ich glaube nicht, dass ich dir hinsichtlich der Oase mehr erzählen kann als dein Herold. Er ist dort gewesen, er hat alles gesehen! Du brauchst mich nicht! Gewähre mir einen Blick auf Tani, bitte, und dann lass mich gehen!«
    Apophis lächelte. Der Wesir lächelte. Jählings lächelten alle, und Ramoses Herz

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