In der Oase
einziges versöhnliches Wort oder irgendeinen praktischen Vorschlag enthält, wie man diese lächerliche Situation beenden kann. Damit hat man meine Majestät ungeheuerlich gekränkt. Ich frage dich noch einmal: Warum bist du nach Auaris gekommen? Warum wurde mir mein Kundschafter zurückgebracht?« Ramose wusste, dass er mit seiner Antwort nicht zögern durfte. Die Augen beobachteten ihn fast ohne Lidschlag.
»Mein Gebieter Kamose hatte zunächst daran gedacht, den Kundschafter allein mit seiner Botschaft zurückzuschicken«, erwiderte er. »Aber er wollte sichergehen, dass der Mann auch wirklich zu dir zurückkehrte und nicht etwa weiter nach Kusch, zu Teti-en reiste, ehe er ins Delta zurückging.« Zu seiner Genugtuung sah er, dass Apophis’ Aufmerksamkeit einen Augenblick nachließ. »Darum war ein Begleiter erforderlich.«
»Ach ja.« Apophis atmete langsam, nachdenklich. »Aber warum hat Kamose dich gewählt, einen Mann, der böse unter ihm gelitten hat, einen Mann, an dessen Treue er Zweifel haben kann?«
»Weil wir von Kindesbeinen an Freunde sind«, sagte Ramose. »Weil er weiß, dass ich trotz der Hinrichtung meines Vaters und meiner Enterbung ihm und seiner Sache treu ergeben bin. Er vertraut mir.«
»Und warum hast du den Auftrag angenommen?« Ramose blickte ihn stumm an. Eine unerwartete Frage, die ein vielschichtiges Hirn offenbarte. Er antwortete vorsichtig und so schlicht wie ein ehrlicher Mann.
»Weil mein liebster Schatz hier ist«, sagte er. »Prinzessin Tani. Ich habe gehofft, dass sich mein Ka an ihrem Anblick erfreuen kann, wenn ich den Befehl meines Gebieters ausführe.« Der junge Mann lachte auf, einmal und harsch. Der Wesir lächelte überheblich. Doch Apophis fixierte Ramoses Gesicht weiterhin mit seinem ernsten, scharfen Blick.
»Ach wirklich?«, sagte er leise. »Dann liebst du sie also noch? Nach all dieser Zeit, Ramose?«
»Ja«, gestand er. »In dieser Sache bin ich noch immer ein törichter Knabe, und ich schäme mich nicht, es einzugestehen.«
»Und was ist, wenn ich dir sage, dass sie tot ist?«, hakte Apophis nach. »Dass ich sie, als die erste Kunde von Kamoses wahnwitzigem Aufstand eintraf, als Geisel für die Niedertracht ihres Bruders habe enthaupten lassen?« Blankes Entsetzen ergriff Ramose, doch er sagte sich, lass dich von ihm nicht aus der Fassung bringen.
»Ich würde sagen, dass eine solche Tat nicht zu der Würde und Gnade eines ägyptischen Königs passt«, antwortete er. »Außerdem würde der Mord an einer Edelfrau nicht gerade dazu beitragen, die Treue deiner Fürsten zu stärken, Majestät. Ich glaube, du spielst mit mir.«
»Vielleicht.« Ein kleines Schweigen, in dem man den Papyrus des Schreibers rascheln hörte.
Dann stellte Apophis die Füße wieder nebeneinander, verzog den Mund und sagte leise: »Wie kommt es, dass mein Kundschafter überhaupt gefangen wurde, Ramose, Sohn des Teti?«
»Das darf ich nicht sagen, Majestät.«
»Aber natürlich weißt du es.« Apophis schnipste mit den Fingern, und ein Diener kam aus den Schatten geglitten, schenkte seinen Becher voll und zog sich lautlos zurück. Apophis trank einen wohl überlegten Schluck. »Du bist ein Freund der Tao-Brüder, wie du uns klargemacht hast, darum gehe ich davon aus, dass du in ihrem Kriegsrat sitzt. Ist mein Herold über ein Lager ihnen ergebener Nomaden gestolpert? Oder wandern etwa Soldaten in der Wüste herum?« Er trank einen weiteren Schluck und führte danach einen viereckigen Leinenlappen zum Mund und tupfte ihn ab. »Sie sind entweder sehr dumm oder sehr klug, diese beiden jungen Männer«, fuhr er nachdenklich fort. »Wenn ein gewöhnlicher Offizier meinen Mann nach Auaris zurückbegleitet hätte, wäre ich nicht argwöhnisch geworden. Ich hätte die lachhafte Rolle da entgegengenommen und den Offizier getötet oder aus der Stadt geworfen, ehe er auch nur die oberflächlichsten Eindrücke hätte sammeln können. Aber sie haben dich geschickt, ihren wertvollen Gefährten, mit einem so groben und lächerlichen Brief, dass er nicht einmal wert ist, für das Archiv abgeschrieben zu werden. Du versuchst nicht, dich in der Stadt zu verstecken oder als Spion Informationen zu sammeln. Du bittest darum, im Palast empfangen zu werden. Warum?« Jetzt pochte ein nackter Fuß auf den Fußboden. »In deinem hübschen Kopf verbirgt sich ein ganzer Schatz an Wissen über Kamose und seinen kleinen Aufstand. Soll ich dich foltern lassen, um daranzukommen, Ramose? Oder willst du mich nach
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