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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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schwarzen Kreisen aufwies. In drei Ecken spendeten Alabasterlampen auf Sockeln ein warmes und stetiges Licht, und in der vierten Ecke schimmerte ein goldener Schrein.
    Ramose ging sofort zu der Tür, durch die er hereingekommen war, und riss sie auf, doch da sah er, wie sich der Kopf eines Wachpostens mit Helm zu ihm umdrehte. Er machte sie hastig wieder zu und durchquerte den Raum zu der einzigen anderen Tür, durch die er hätte entkommen können, doch auch die wurde bewacht; der Mann in dem dunklen Flur dahinter streckte warnend den Arm aus, als Ramose auftauchte. Nicht etwa, dass ich fliehen möchte, dachte Ramose grimmig, während er sich zurückzog. Ich muss die Sache bis zum Ende durchstehen. Aber ich fürchte mich ein wenig.
    Unwillkürlich kehrte er dem üppigen Schrein den Rücken zu, fiel auf die Knie und beschwor Thot, den Gott Chemmenus. Bewusst malte sich Ramose im Geist sein Bildnis aus und begann zu beten.
    Seit Monaten hatte er den Schutzgott seiner Stadt nicht angerufen, er ertrug die Erinnerungen nicht, die das mit sich gebracht hätte, doch jetzt ließ er seine Ängste und Zweifel in die federumstandenen Ohren des Gottes fließen, bat um Klugheit, um die richtigen Worte, die er Apophis sagen musste, dessen Gegenwart dieser Ort ausstrahlte, bat um Kraft, damit er an seinem Ziel festhielt. Als er geendet hatte, verspürte er plötzlich einen gesunden Hunger, zog einen der Stühle heran und fiel über das Essen her, genoss den Knoblauchgeschmack im Öl, mit dem der Salat angemacht war, und spülte alles mit einem Wein hinunter, der wunderbar trocken war. Danach lehnte er sich zurück. Er hatte sein seelisches Gleichgewicht wieder gefunden.
    Er dachte daran, sich eins der Kissen unter den Kopf zu legen und ein Weilchen zu schlafen, doch er war hellwach und munter, aber ruhig. Du bist bei mir, Großer Thot, nicht wahr?, betete er stumm zu seinem Gott. Du hast mich, deinen Sohn, an diesem gotteslästerlichen Ort nicht verlassen. Er lächelte, seufzte und ergab sich ins Warten.
    Es wurde später und später. Selbst hier, in diesem stillen Raum, der sich mehr und mehr von der Wirklichkeit draußen abzusondern schien, war sich Ramose bewusst, wie die Stunden bis zum noch lange entfernten Morgengrauen verrannen.
    Er saß noch immer aufgerichtet auf dem Stuhl, als die Tür endlich aufging und ein hoch gewachsener, sauber rasierter Mann in knöchellangem weißem Schurz und silbernen Armreifen eintrat. »Ich bin Sachetsa, Herold Seiner Majestät«, sagte er, und nur das leise Zögern bei seinen Worten verriet, dass er überrascht war, Ramose nicht schlafend vorzufinden. »Seine Majestät will dich kurz empfangen, ehe er sich zurückzieht. Komm mit.« Gehorsam stand Ramose auf und verließ den Raum.
    Und dann verlor er den Überblick. Hinter dem flatternden Leinen des Herolds durchschritt er einen fackelerhellten Flur nach dem anderen, kam an geschlossenen und geöffneten Türen vorbei, die dunkel gähnten, durchquerte dämmrige Höfe, in denen das gedämpfte Plätschern der Springbrunnen eine tonlose Musik spielte, schritt zwischen aufgereihten Säulen unter Decken dahin, von denen seine Schritte widerhallten. Überall Wachposten vor dem eintönigen Hellgelb der Wände, große Männer, die regungslos dastanden, die mit Leder behandschuhten Hände auf die Schäfte riesiger Äxte stützten, und über ihnen zog sich das Irrgartenmotiv, das auch die Wand oben in dem Raum zierte, in dem Ramose gewartet hatte. Der Palast schlief in den wenigen Stunden zwischen Fest und erneuter Geschäftigkeit bei Tagesanbruch, war vorübergehend still.
    Nach scheinbar langer Zeit blieb Sachetsa vor einer geriffelten Flügeltür aus gepunzter Zeder stehen, wo er ein paar Worte mit den Soldaten zu jeder Seite wechselte, und Ramose trat nach ihm ein. Der Flur hier war kleiner und heller, die Türen, die davon abgingen, kunstvoller verziert. Am hinteren Ende kam eine weitere Flügeltür. Ein Mann stand von dem Hocker vor ihnen auf. Wie der Herold war auch er in Weiß gekleidet, doch sein Gewand war mit Gold gesäumt. Je ein dicker goldener Reif schlang sich um Oberarm und Knöchel. Es war ein älterer Mann, das Gesicht unter den Spuren von Schminke runzlig, die Ohrläppchen lang gezogen unter dem Gewicht der goldenen Anchs. Er sah müde aus. Das Kohl um seine Augen war verschmiert, die Augen selbst waren blutunterlaufen. Trotzdem lächelte er schmal. »Ich bin Oberhofmeister Nehmen«, sagte er knapp. Er winkte ungeduldig, und Ramose

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