In der Schwebe
Armee ist genau auf diese Art von Krise vorbereitet. Was die NASA-Operationen betrifft, sollte das US-Raumfahrtkommando weiterhin die Kontrolle behalten, gestützt von der Vierzehnten Air-Force-Division. Die NASA hat zu starke persönliche und emotionale Bindungen an die Astronauten. Wir brauchen eine starke Hand am Ruder. Wir brauchen absolute Disziplin.« Profitt sah sich unter den Männern und Frauen am Tisch um. Für die wenigsten von ihnen empfand er wirklich Respekt. Einige waren nur an Prestige und Macht interessiert. Andere hatten ihren Platz an diesem Tisch nur durch politische Beziehungen bekommen. Wieder andere ließen sich zu leicht durch die öffentliche Meinung beeinflussen. Nur wenige hatten so klare und einfache Motive wie er selbst.
Nur wenige hatten die gleichen Albträume erlebt wie er, waren schweißgebadet in der Dunkelheit erwacht, bis ins Mark erschüttert von Bildern der drohenden Katastrophe.
»Das heißt im Grunde, dass die Astronauten nie mehr zurückkehren können«, sagte Cornell.
Profitt blickte in das aschfahle Gesicht des NASAVerwaltungschefs und empfand echtes Mitgefühl. »Wenn wir ein Gegenmittel gefunden haben, wenn wir wissen, wie wir diesen Organismus vernichten können, dann können wir darüber reden, Ihre Leute nach Hause zu holen.«
»Wenn sie dann noch am Leben sind«, murmelte der Präsident.
Profitt und Roman sahen einander an, doch keiner von beiden antwortete. Sie hatten das Offensichtliche schon begriffen. Sie würden das Gegenmittel nicht rechtzeitig finden. Die Astronauten würden nicht lebend zurückkehren.
Jared Profitt trug auch an diesem glühend heißen Tag Jackett und Krawatte. Die Hitze spürte er kaum. Andere mochten sich über die Torturen eines Washingtoner Sommers beklagen, ihm machten die extrem hohen Temperaturen nichts aus. Es war der Winter, den er fürchtete, weil er die Kälte so schlecht vertrug. An Frosttagen bekam er blaue Lippen und zitterte noch unter mehreren Schichten von Pullovern und Schals. Selbst im Sommer hatte er im Büro immer einen Pullover dabei, um sich vor der Klimaanlage zu schützen. Heute war es weit über dreißig Grad, und die Gesichter, die ihm auf der Straße begegneten, glänzten vor Schweiß; er aber zog weder das Jackett aus, noch hielt er es für nötig, den Schlips zu lockern.
Seit dieser Sitzung war ihm kalt bis in die Knochen und bis in die Tiefe seiner Seele.
Er hatte sein Mittagessen dabei, verpackt in eine braune Papiertüte; genau das gleiche Essen, das er jeden Morgen mit zur Arbeit nahm. Der Weg, den er ging, war auch derselbe wie immer, in westlicher Richtung auf den Potomac zu, der Reflecting Pool zu seiner Linken. Die Routine, die vertrauten Abläufe, wirkten beruhigend auf ihn. Es gab dieser Tage nur wenige Dinge in seinem Leben, die ihm ein Gefühl der Sicherheit vermittelten. Und je älter er wurde, desto mehr hielt er an bestimmten Ritualen fest, so wie ein Mönch im Kloster, der dem täglichen Rhythmus von Arbeit, Gebet und Meditation folgt. In vielerlei Hinsicht war er wie diese Asketen vergangener Tage; ein Mensch, der nur aß, weil sein Körper es verlangte, und der nur deshalb Anzüge trug, weil es von ihm verlangt wurde. Ein Mann, dem Reichtum nichts bedeutete.
Der Name
Profitt
hätte nicht weiter von der Lebenswirklichkeit des Mannes entfernt sein können.
Er verlangsamte seinen Schritt, als er den leicht abfallenden Rasen vor der Gedenkstätte für den Vietnamkrieg überquerte, und blickte auf die Besucher, die in einer feierlichen Prozession an der Mauer mit den Namen der Toten vorbeidefilierten. Er wusste, was sie dachten, wenn sie vor diesen schwarzen Granittafeln standen und über die Schrecken des Krieges nachdachten: So
viele Namen. So viele Tote.
Und er dachte:
Ihr habt ja keine Ahnung.
Er fand eine freie Bank im Schatten und setzte sich hin, um zu essen. Aus seiner braunen Tüte holte er einen Apfel, ein Stück Cheddar und eine Flasche Wasser. Weder Evian noch Perrier, sondern schlichtes Leitungswasser. Er aß langsam, während er die Touristen beobachtete, die von einer Gedenkstätte zur Nächsten pilgerten.
So ehren wir unsere Kriegshelden,
dachte er. Statuen wurden errichtet, Namen in Marmortafeln geritzt, Flaggen gehisst. Man erschauderte beim Gedanken an die Anzahl der Menschen, die im Schlachthaus des Krieges auf beiden Seiten ihr Leben gelassen hatten. Zwei Millionen tote Soldaten und Zivilisten in Vietnam. Fünfzig Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg. Einundzwanzig
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