In der Schwebe
nicht laut auszusprechen, was sie dachte. Sie bedeutete ihren Kollegen, mit ihr das russische Modul zu verlassen.
Sie versammelten sich im Wohnmodul, wo Nikolai sie nicht hören konnte und sie ohne Bedenken ihre Schutzbrillen und Atemmasken ablegen konnten.
»Houston muss unsere Evakuierung sofort freigeben«, sagte sie, »sonst verlieren wir ihn.«
»Sie sind sich dessen durchaus bewusst«, erwiderte Griggs. »Sie können aber keine Evakuierung einleiten, solange sie nicht vom Weißen Haus genehmigt ist.«
»Dann sollen wir also hier rumhängen und zugucken, wie wir alle krank werden?«, meinte Luther. »Und wenn wir uns einfach ins CRV setzen und abhauen? Was wollen sie denn dann machen – uns vielleicht abschießen?«
Diana sagte leise: »Das könnten sie tun.«
Die Wahrheit dessen, was sie gerade ausgesprochen hatte, ließ sie verstummen. Alle Astronauten, die je in ein Shuttle gestiegen waren und einen Countdown durchgestanden hatten, wussten genau, dass in einem Bunker im JSC ein Team von Air-Force-Offizieren saß, dessen einzige Aufgabe darin bestand, das Shuttle abzuschießen und die Crew in einen Haufen Asche zu verwandeln. Sollte während des Landeanflugs das Steuerungssystem versagen, sollte das Shuttle durch einen katastrophalen Fehler auf ein dicht besiedeltes Gebiet zurasen, war es die Pflicht dieser Sicherheitsoffiziere, auf den ominösen Knopf zu drücken. Sie hatten alle Crewmitglieder persönlich kennen gelernt; sie hatten wahrscheinlich Fotos von den Familien der Astronauten gesehen. Sie wussten ganz genau, wen sie töteten. Es war eine furchtbare Verantwortung, doch niemand zweifelte daran, dass diese Air-Force-Offiziere ihrer Verpflichtung nachkommen würden.
So wie sie auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das CRV zerstören würden, sollten sie den Befehl dazu erhalten. Angesichts der Bedrohung durch eine neue und tödliche Epidemie fiel das Leben von fünf Astronauten kaum ins Gewicht.
Luther sagte: »Ich wette, sie lassen uns in Ruhe landen. Warum denn nicht? Vier von uns sind noch gesund.
Wir
haben uns nichts gefangen.«
»Aber wir waren dem Erreger ausgesetzt«, erwiderte Diana. »Wir haben dieselbe Luft geatmet und dasselbe Quartier geteilt. Luther, Sie und Nikolai haben zusammen in dieser Druckschleuse übernachtet.«
»Ich fühle mich vollkommen gesund.«
»Ich auch, und Griggs und Watson ebenso. Aber wenn es sich um eine Infektion handelt, könnten wir bereits in der Inkubationsphase sein.«
»Deshalb müssen wir uns an die Befehle halten«, sagte Griggs. »Wir bleiben, wo wir sind.«
Luther wandte sich an Emma. »Machst du diese MärtyrerScheiße etwa auch mit?«
»Nein«, antwortete sie. »Das tue ich nicht.«
Griggs sah sie verblüfft an. »Watson?«
»Ich denke dabei nicht an mich«, sagte Emma. »Ich denke an meinen Patienten. Nikolai kann nicht sprechen, also muss ich es für ihn tun. Ich will, dass er in ein Krankenhaus kommt, Griggs.«
»Sie haben gehört, was Houston gesagt hat.«
»Was ich gehört habe, war widersprüchlich und konfus. Zuerst wird die Evakuierung angeordnet, dann wird sie verschoben. Zuerst sagen sie uns, es handle sich um Marburg, dann wieder heißt es, es sei überhaupt kein Virus, sondern irgendein neuer, von Bioterroristen zusammengebastelter Organismus. Ich habe keinen blassen Schimmer, was da unten eigentlich vor sich geht. Ich weiß nur, dass mein Patient …« Sie senkte unvermittelt die Stimme. »Er ist todkrank«, fuhr sie leise fort. »Und meine oberste Pflicht ist es, ihn am Leben zu halten.«
»Und meine Pflicht ist es, als Kommandeur dieser Station zu handeln«, entgegnete Griggs. »Ich muss davon ausgehen, dass Houston die Operation nach bestem Wissen und Gewissen leitet. Sie würden uns nicht in diese Gefahr bringen, wenn die Situation nicht sehr ernst wäre.«
Emma konnte ihm nicht widersprechen. In der Bodenkontrolle saßen nur Leute, die sie kannte; Leute, denen sie vertraute.
Und Jack ist dort,
dachte sie. Keinem Menschen auf der Welt vertraute sie mehr als ihm.
»Sieht aus, als hätten wir Post von unten«, sagte Diana mit einem Blick auf den Computerbildschirm. »Das ist für Watson.«
Emma schwebte durch das Modul, um die Nachricht zu lesen, die auf dem Monitor aufleuchtete. Sie kam von der Lebenswissenschaftlichen Abteilung der NASA.
Dr. Watson, wir sind der Meinung, Sie sollten erfahren, womit genau Sie es zu tun haben – womit wir alle es zu tun haben. Dies ist die DNS-Analyse des Organismus,
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