In der Schwebe
der Kenichi Hirai infiziert hat.
Emma rief die angehängte Datei auf.
Sie brauchte eine Weile, um die Nucleotidsequenz, die über den Bildschirm flimmerte, zu interpretieren. Und noch weitere ein oder zwei Minuten, um zu
glauben,
was daraus folgte.
Auf einem Chromosom saßen Gene von drei
verschiedenen
Spezies. Leopardfrosch. Maus. Und Mensch.
»Was ist das für ein Organismus?«, fragte Diana.
Emma antwortete leise: »Eine neue Lebensform.«
Ein frankensteinsches Monster. Eine Abscheulichkeit der Natur. Ihr Blick fiel plötzlich auf das Wort »Maus«, und sie dachte:
Die Mäuse im Labor. Sie sind als Erste erkrankt.
Im Laufe der vergangenen anderthalb Wochen waren noch weitere gestorben. Als sie das letzte Mal nachgesehen hatte, war nur noch ein Tier, ein Weibchen, am Leben gewesen.
Sie verließ das Wohnmodul und drang tiefer in den stillgelegten Teil der Station ein.
Das US-Labor lag in fast völliger Dunkelheit. Sie schwebte zum Tierhabitat. Waren die Mäuse die ursprünglichen Träger des Organismus, mit denen die Chimäre an Bord der ISS gelangt war? Oder waren sie nur zufällig zu Opfern geworden, infiziert durch irgendeine andere Quelle?
Und war die letzte Maus noch am Leben?
Sie öffnete das Schubfach und starrte auf die einzige verbliebene Bewohnerin des Käfigs.
Was sie sah, ließ ihren Mut sinken. Die Maus war tot.
Sie hatte dieses Weibchen mit dem angeknabberten Ohr schon für eine Kämpferin gehalten, eine Überlebenskünstlerin, die durch ihre schiere Zähigkeit länger durchgehalten hatte als ihre Käfiggenossen. Sie wurde von einem Gefühl der Trauer überrascht, als sie den leblosen Körper betrachtete, der in der hinteren Ecke des Käfigs schwebte. Der Bauch der Maus sah bereits angeschwollen aus. Sie würde den Kadaver sofort aus dem Käfig entfernen und entsorgen müssen.
Sie koppelte den Käfig mit dem Handschuhkasten, steckte die Hände durch die Öffnungen und griff nach der Maus. In dem Moment, als sich ihre Finger um den kleinen Körper schlossen, erwachte er zappelnd zu neuem Leben. Emma stieß einen überraschten Schrei aus und ließ das Tier los.
Die Maus machte eine rasche Drehung und starrte sie wütend an. Die Härchen an ihrer Schnauze zitterten vor Erregung.
Emma lachte irritiert auf. »Du bist also doch nicht tot«, murmelte sie.
»
Watson!
«
Sie drehte sich zur Bordsprechanlage um, aus der gerade ihr Namen erklungen war. »Ich bin im Labor.«
»Kommen Sie sofort ins RSM! Nikolai hat einen Anfall.«
Sie schoss aus dem Labor und eilte auf das russische Modul zu, wobei sie in der Dunkelheit immer wieder gegen die Wände stieß. Das Erste, was sie sah, als sie in das Modul hineintauchte, waren die Gesichter ihrer Mitastronauten, deren entsetzte Mienen auch durch die Schutzbrillen hindurch zu erkennen waren. Dann machten sie Platz, und Emma erblickte Nikolai.
Sein linker Arm wurde von krampfhaften Zuckungen geschüttelt, die so heftig waren, dass der ganze Untersuchungstisch bebte. Die Krämpfe wanderten an seiner linken Körperseite entlang, und sein Bein schlug ebenfalls aus. Jetzt begann sein Becken auf und ab zu rucken. Unaufhaltsam zog sich der Krampfanfall durch seinen ganzen Körper. Die unkontrollierten Bewegungen wurden immer stärker, und die Riemen scheuerten seine Handgelenke blutig. Plötzlich hörte Emma ein widerliches Krachen: Die Knochen seines linken Unterarms waren gebrochen. Der rechte Handgelenkriemen riss, und der befreite Arm begann wild um sich zu schlagen; immer wieder krachte er mit dem Handrücken gegen die Tischkante, bis das Blut spritzte und die Knochen zersplitterten.
»Haltet ihn fest! Ich pumpe ihn mit Valium voll!«, schrie Emma, während sie hektisch im Medizinschrank wühlte.
Griggs und Luther packten Nikolai von beiden Seiten, doch selbst Luther war nicht stark genug, um Nikolais von der Fessel befreiten Arm zu bändigen. Er schoss wie eine Peitsche nach oben und versetzte Luther einen Schlag, der ihn zur Seite schleuderte. Luthers Fuß traf Diana an der Wange und schlug ihr die Schutzbrille von der Nase.
Plötzlich krachte Nikolai mit dem Hinterkopf auf den Tisch. Er rang gurgelnd nach Luft, und sein Brustkorb blähte sich auf. Dann hustete er einmal heftig.
Schleim spritzte ihm aus dem Mund und traf Diana im Gesicht. Sie heulte angewidert auf, ließ Nikolai los und wischte sich das ungeschützte Auge, während sie vom Tisch wegtrieb.
Ein Tropfen blaugrünen Schleims schwebte an Emma vorbei. Eingeschlossen in die
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