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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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eine gewisse Zeit, um sich zu erholen, und dann musste der Dekompressionszyklus wiederholt werden. Obwohl Woody Ellis es nicht aussprach, dachte er wohl das Gleiche wie alle anderen im Raum: Selbst wenn sie die Crew zur Unterstützung herbeiriefen, würde das für Diana Estes kaum etwas ändern. Ihr Tod war nicht zu verhindern.
    Zu Todds Entsetzen verfiel das EKG jetzt in eine dauerhafte Kammertachykardie. Es erholte sich nicht mehr.
    »Es geht rapide bergab mit ihr!«, rief er. »Holen Sie sofort
einen
von ihnen rein! Holen Sie Watson!«
    Eine Sekunde zögerte Ellis.
    Dann sagte er: »Tun Sie’s.«
    Warum antwortet Griggs nicht?
    Voller Panik hangelte Emma sich so schnell es ging von Handgriff zu Handgriff am Hauptträger entlang. In ihrem OrlanM-Anzug kam sie sich langsam und unbeholfen vor, und ihre Hände schmerzten von der Anstrengung, die es kostete, mit den klobigen Handschuhen zuzupacken. Die Reparaturarbeiten hatten sie bereits ermüdet; jetzt wurde das Futter ihres Anzugs aufs Neue von Schweiß durchtränkt, und ihre Muskeln zitterten vor Erschöpfung.
    »Griggs, antworten Sie! Verdammt, antworten Sie!« Immer noch kein Ton aus der ISS.
    »Wie ist Dianas Zustand?«, fragte sie schwer atmend. Sie hörte Todds Stimme antworten: »Immer noch Kammerflimmern.«
    »Mist.«
    »Hetz dich nicht ab, Watson. Werd nicht unvorsichtig.«
    »Sie packt es nicht mehr lange. Wo zum Teufel ist Griggs?« Sie war jetzt so außer Atem, dass sie kaum noch sprechen konnte. Sie zwang sich, nur darauf zu achten, den nächsten Handgriff nicht zu verfehlen und sich nicht in ihrer Schnur zu verheddern. Als sie von dem Träger klettern und mit einem Satz auf die Leiter springen wollte, hielt sie plötzlich irgendetwas ruckartig fest. Ihr Ärmel war an einer Ecke der Arbeitsplattform hängen geblieben.
    Mach langsam. Du bringst dich noch um.
    Vorsichtig zupfte sie den Ärmel los und stellte fest, dass die Außenhaut unversehrt war. Ihr Herz raste immer noch, während sie die Leiter herunterkletterte und sich durch die Luke in die Druckschleuse schwang. Rasch zog sie die Klappe zu und öffnete das Druckausgleichsventil.
    »Sag schon was, Todd«, rief sie ungeduldig, während der Druck in der Schleuse sich wieder aufbaute. »Wie ist der Rhythmus?«
    »Sie hat jetzt grobes Kammerflimmern. Wir kriegen Griggs immer noch nicht dran.«
    »Wir verlieren sie!«
    »Ich weiß, ich weiß!«
    »Okay, ich bin jetzt bei dreihundertfünfzig Hektopascal …«
    »Die Dichtigkeitsprüfung. Die darfst du nicht übergehen.«
    »Dazu habe ich keine Zeit.«
    »Keine Abkürzungen, Watson,
ist das klar?
«
    Sie hielt inne und holte tief Luft. Todd hatte Recht. In der unwirtlichen Umgebung des Weltalls konnte man sich keine Schlamperei leisten. Sie führte die Dichtigkeitsprüfung durch, wartete ab, bis der Druck die erforderliche Höhe erreicht hatte, und öffnete dann die Luke, die zur Ausrüstungsschleuse führte. Dort zog sie rasch die Handschuhe aus. Der russische Orlan-MAnzug ließ sich leichter ausziehen als der amerikanische EMU, aber es brauchte immer noch einige Zeit, bis man den »Rucksack« mit dem Lebenserhaltungssystem abgeschüttelt und sich aus dem Anzug geschält hatte.
Ich schaffe es nicht, rechtzeitig bei ihr zu sein,
dachte sie, während sie wild mit den Beinen ruderte, um sie aus dem unteren Anzugteil zu befreien. »Status, Surgeon!«, bellte sie in ihr Mikrofon.
    »Feines Kammerflimmern.«
    Ein letaler Rhythmus,
dachte sie. Das war die letzte Gelegenheit, Diana zu retten.
    Nur mit ihrem wassergekühlten Innenanzug bekleidet, öffnete sie die Verbindungsluke zur Station. In ihrer Ungeduld, zu ihrer Patientin zu gelangen, stieß sie sich von der Wand ab und tauchte mit dem Kopf voran durch die Luke.
    Etwas Nasses spritzte ihr ins Gesicht und nahm ihr die Sicht. Sie verfehlte den Handgriff und prallte gegen die gegenüberliegende Wand. Einige Sekunden lang trieb sie verwirrt umher und kniff die gereizten Augen zusammen.
Was habe ich da in die Augen bekommen?,
dachte sie.
Doch nicht etwa die Eier. Bitte keine Eier …
Allmählich konnte sie wieder klarer sehen, doch es dauerte noch eine Weile, bis sie begriff, was sie da sah.
    Im Halbdunkel der Kapsel schwebten überall um sie herum gewaltige Kugeln umher. Sie spürte, wie etwas Feuchtes ihre Hand berührte, und blickte auf den schwärzlichen Klecks, der sich auf ihrem Ärmel ausbreitete, auf die dunklen Flecken, die an mehreren Stellen auf ihrer Thermowäsche auftauchten. Sie hielt den Ärmel

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