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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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ihm fast das Herz. Er scherte sich längst nicht mehr um biologische Kontamination; es war ihm gleich, ob er selbst Gefahr lief, sich anzustecken. Mit der bloßen Hand wischte er ihr die Tränen weg.
    »Hast du Schmerzen?«, fragte er. »Brauchst du noch mehr Morphium?«
    »Nein. Heb es lieber auf.«
Jemand anderes wird es bald brauchen,
waren die Worte, die sie nicht aussprach.
    »Sag mir, was du willst. Was ich für dich tun kann.«
    »Durst habe ich«, sagte sie. »All das Gerede von Margaritas.«
    Er lachte. »Ich werde dir eine mixen. Die alkoholfreie Variante.«
    »Ja, bitte.«
    Er schwebte zur Kombüse und öffnete den Lebensmittelschrank. Er war mit russischen Vorräten gefüllt, nicht mit den Produkten, die Griggs aus dem US-Modul kannte. Er sah eingelegten Fisch in Vakuumverpackung. Wurstkonserven. Ein Sortiment wenig appetitanregender russischer Grundnahrungsmittel. Und Wodka – eine kleine Flasche, die die Russen heraufgeschickt hatten, angeblich zu medizinischen Zwecken.
    Das ist vielleicht unser letzter gemeinsamer Drink.
    Er schüttelte etwas Wodka in zwei Trinkbeutel und verstaute die Flasche wieder im Schrank. Dann fügte er Wasser hinzu, wobei er ihren Drink so stark verdünnte, dass er kaum noch Alkohol enthielt. Nur einen Tropfen für den Geschmack, dachte er, um glückliche Erinnerungen zu wecken und sie an die Abende zu erinnern, an denen sie zusammen auf ihrer Veranda gesessen und den Sonnenuntergang bewundert hatten. Er schüttelte die Beutel ein paar Mal kräftig, um das Wasser mit dem Wodka zu vermischen. Dann wandte er sich zu ihr um.
    Ein leuchtend roter Ballon aus Blut quoll aus ihrem Mund.
    Sie wand sich in Krämpfen. Sie hatte die Augen verdreht, und ihre Zähne hatten sich in ihre Zunge verbissen. Ein blutiges, abgerissenes Stück Fleisch hing nur noch an einem Faden.
    »Diana!«, schrie er.
    Der Blutballon löste sich, und die seidig glänzende Kugel schwebte davon. Sofort bildete sich der Nächste, genährt von dem Blut, das aus der zerfetzten Zunge strömte.
    Hastig griff er nach dem Mundsperrer aus Plastik, der mit Klebstreifen am Behandlungstisch befestigt war, und versuchte ihn zwischen ihre Zähne zu schieben, damit sie sich nicht noch mehr verletzte. Doch er bekam ihre Zähne nicht auseinander. Die Kiefermuskeln gehören zu den stärksten im gesamten menschlichen Körper, und ihre waren jetzt vollkommen verkrampft. Er griff nach der fertig aufgezogenen Valiumspritze und schob die Nadel in den Pfropfen der IV-Kanüle. Er hatte den Kolben noch nicht ganz niedergedrückt, als der Krampfanfall bereits nachzulassen begann. Er injizierte ihr die ganze Dosis.
    Ihre Züge entspannten sich, und ihre Kiefermuskeln erschlafften.
    »Diana?«, sagte er. Sie antwortete nicht.
    Immer noch quoll Blut in einer riesigen Blase aus ihrem Mund. Er musste einen Druckverband anlegen, um die Blutung zu stillen.
    Er öffnete den Verbandskasten, fand die sterilen Mullbinden und riss hastig eine Packung auf. Einige der quadratischen Kissen wirbelten davon. Er schob sich hinter ihren Kopf und öffnete vorsichtig ihren Mund, um die zerbissene Zunge freizulegen.
    Sie hustete und versuchte das Gesicht abzuwenden. Sie drohte an ihrem eigenen Blut zu ersticken.
    »Nicht bewegen, Diana.« Mit dem rechten Handgelenk drückte er ihren Unterkiefer nieder, um ihren Mund offen zu halten, während er die Gaze mit der linken Hand zusammenknüllte und das Blut wegtupfte. Plötzlich erfasste ein erneuter Krampf ihren Körper, ihre Halsmuskeln spannten sich, und ihr Kiefer schnappte zu.
    Er schrie auf. Seine Hand war zwischen ihren Zähnen, und der unmittelbar einsetzende Schmerz war so heftig, dass ihm die Sinne zu schwinden begannen. Er spürte, wie warmes Blut in sein Gesicht spritzte, sah einen leuchtend roten Tropfen hervorquellen. Sein Blut, gemischt mit dem ihren. Er versuchte sich loszureißen, doch ihre Zähne hatten sich zu tief in sein Fleisch gegraben. Das Blut strömte; die rote Kugel schwoll an, bis sie fast die Größe eines Basketballs hatte.
Eine Arterie ist durchtrennt!
Es gelang ihm nicht, ihren Kiefer aufzustemmen; durch den Krampf hatte sich der Muskel mit übermenschlicher Kraft zusammengezogen.
    Ihm wurde allmählich schwarz vor Augen.
    In seiner Verzweiflung rammte er ihr die freie Faust in die Zähne. Ihr Kiefer entspannte sich nicht.
    Er schlug erneut zu. Der Blutball zerstob zu einem Dutzend kleinerer Tropfen, die ihm ins Gesicht spritzten, in die Augen. Immer noch bekam er seine Hand nicht

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