Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
frei. Es war jetzt überall so viel Blut, dass er darin wie in einem See zu schwimmen schien und kaum noch frei atmen konnte.
    Blindlings ließ er seine Faust wieder auf ihr Gesicht niederfahren und hörte Knochen splittern, doch immer noch war seine Hand zwischen ihren Zähnen gefangen. Die Schmerzen waren überwältigend, schier unerträglich. Panik erfasste ihn; blind für alles andere dachte er nur noch daran, diesen Qualen ein Ende zu bereiten. Er wusste kaum, was er tat, als er sie noch einmal schlug. Und noch einmal.
    Mit einem Schrei riss er seine Hand endlich los und wurde vom Tisch weggeschleudert. Rote Fäden aus Blut schlängelten und wanden sich um ihn herum, während er mit der gesunden Hand sein aufgerissenes Handgelenk umklammert hielt. Er prallte mehrmals gegen die Wände, und es dauerte eine Weile, bis er sich wieder so weit unter Kontrolle hatte, dass er klar sehen konnte. Was er sah, war Dianas zerschmettertes Gesicht, ihre blutigen Zahnstümpfe. Die Verwüstung, die seine eigene Faust angerichtet hatte.
    Die Wände warfen seinen Verzweiflungsschrei zurück, füllten seine Ohren mit den Klagelauten aus seinem eigenen Mund.
    Was habe ich getan? Was habe ich getan?
    Er schwebte an ihre Seite und hielt ihr zerschlagenes Gesicht in den Händen. Die Schmerzen seiner eigenen Verletzung spürte er nicht mehr; sie schwanden restlos dahin angesichts des überwältigenden Entsetzens über seine eigene Tat.
    Erneut heulte er laut auf, diesmal aus Wut. Mit der Faust trommelte er gegen die Wand des Moduls. Zerriss die Plastikfolie, mit der die Luke abgedeckt war.
Wir sterben doch sowieso alle!
Dann fiel sein Blick auf den Instrumentenkasten.
    Er griff hinein und bekam ein Skalpell zu fassen.
    Dr. Todd Cutler starrte auf seine Konsole und wurde plötzlich von Panik gepackt. Der Bildschirm zeigte die Biotelemetriewerte von Diana Estes. Ihre EKG-Kurve war eben zu einem Sägezahnmuster aus rasch aufeinander folgenden Zacken geworden. Zu seiner Erleichterung war der Zustand nicht von Dauer. Ebenso abrupt, wie es eingesetzt hatte, wich das Muster wieder einem schnellen Sinusrhythmus.
    »Flight«, sagte er, »ich sehe hier ein Problem mit dem Herzrhythmus meiner Patientin. Ihr EKG hat gerade fünf Sekunden lang eine Kammertachykardie angezeigt.«
    »Und das bedeutet?«, fragte Woody Ellis knapp.
    »Ein potenziell lebensbedrohlicher Rhythmus, wenn er über längere Zeit anhält. Im Moment ist sie wieder in einem Sinusrhythmus von zirka hundertdreißig. Das ist schneller als vorher. Nicht gefährlich, aber ich mache mir trotzdem Sorgen.«
    »Ihr Rat, Surgeon?«
    »Ich würde ihr Antiarrhythmika geben. Sie braucht Lidocain oder Amiodaron, intravenös. Sie haben beide Medikamente in ihrem Notfallset.«
    »Arnes und Watson sind noch draußen auf EVA. Griggs wird es ihr verabreichen müssen.«
    »Ich werde ihn anleiten.«
    »Okay Capcom, wir brauchen eine Verbindung mit Griggs.« Während sie auf Griggs’ Antwort warteten, behielt Todd den Monitor genau im Auge. Was er sah, beunruhigte ihn. Dianas Puls beschleunigte sich: 135, 140. Jetzt schlug er kurzfristig auf 160 aus; die Anzeige war plötzlich verzerrt, entweder durch Bewegungen der Patientin oder durch elektrische Störungen. Was ging dort oben vor?
    Capcom meldete sich: »Commander Griggs antwortet nicht.«
    »Sie braucht das Lidocain«, sagte Todd.
    »Wir kriegen ihn nicht an die Strippe.«
    Entweder kann er uns nicht hören, oder er weigert sich zu antworten,
dachte Todd. Griggs’ seelischer Zustand hatte ihnen in der letzten Zeit Sorgen gemacht. Hatte er sich jetzt so weit in sich zurückgezogen, dass er einen dringenden Funkruf ignorierte?
    Plötzlich fesselte die Bildschirmanzeige wieder seine Aufmerksamkeit. Diana Estes fiel in rascher Folge immer wieder in eine Kammertachykardie. Ihre Ventrikel kontrahierten so schnell, dass sie nicht mehr effektiv pumpen konnten. Sie konnten ihren Blutdruck nicht mehr aufrechterhalten.
    »Sie braucht das Medikament
sofort!
«, stieß er hervor. »Griggs antwortet nicht«, erwiderte der Capcom.
    »Dann holen Sie die EVA-Crew rein!«
    »
Nein
«, fuhr der Flight dazwischen. »Sie sind in einer heiklen Phase der Reparaturen. Wir können sie jetzt nicht unterbrechen.«
    »Ihr Zustand wird kritisch.«
    »Wenn wir die EVA-Crew jetzt reinholen, ist in den nächsten vierundzwanzig Stunden nichts mehr mit Reparaturen.« Die Crew konnte nicht einfach eben mal reingehen und das Raumschiff gleich darauf wieder verlassen. Sie brauchte

Weitere Kostenlose Bücher