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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sagte: »Ich bin infiziert.«
    »Du warst dem Organismus
ausgesetzt.
Das heißt noch nicht, dass du infiziert bist.«
    »Ich habe gerade meine Blutwerte gemessen. Mein Amylasespiegel ist erhöht.«
    Er schwieg.
    »Seit dem Kontakt sind acht Stunden vergangen. Ich dürfte noch zwischen vierundzwanzig und achtundvierzig Stunden haben, bis ich … meine Funktionsfähigkeit verliere.« Ihre Stimme war jetzt fester. Sie klang merkwürdig ruhig, als ob sie über den bevorstehenden Tod eines Patienten redete. Nicht über ihren eigenen. »Das gibt mir genügend Zeit, einige Dinge in Ordnung zu bringen. Die Leichen über Bord zu werfen. Ein paar von den Filtern auszuwechseln und die Ventilatoren wieder in Gang zu bringen. Das sollte es für die nächste Crew etwas leichter machen, hier aufzuräumen. Falls es eine nächste Crew gibt …«
    Jack sagte immer noch nichts.
    »Was meine eigenen Überreste betrifft …« In ihrer Stimme lag jetzt nüchterne Resignation, keine Spur von Emotionalität.
    »Wenn es so weit ist, ist es für die Station wohl das Beste, wenn ich nach draußen gehe. Da werde ich nichts kontaminieren, wenn ich sterbe. Wenn meine Leiche …« Sie hielt inne. »Den Orlan-Anzug kann ich auch ohne Hilfe mühelos anlegen. Ich habe Valium und Schmerzmittel zur Hand. Genug, um mich zu betäuben. Sodass ich schlafe, wenn mir der Sauerstoff ausgeht. Weißt du, Jack, das ist gar kein so schlechter Abgang, wenn man sich das mal überlegt. Da draußen zu schweben. Die Erde und die Sterne zu sehen. Und einfach so einzuschlafen …«
    Jetzt konnte sie ihn hören. Er weinte.
    »Jack«, sagte sie leise. »Ich liebe dich. Ich weiß nicht, warum es mit uns so weit gekommen ist. Ich weiß nur, dass es zum Teil meine Schuld ist.«
    Sie hörte seinen zitternden Atem. »Emma, sag so was nicht!«
    »Es war so dumm von mir, so lange damit zu warten. Du denkst sicher, ich sage das jetzt nur, weil ich bald sterbe. Aber Jack, ich schwöre dir, in Wahrheit …«
    »Du wirst nicht sterben.« Er wiederholte es, diesmal mit Zorn in der Stimme. »Du wirst nicht sterben!«
    »Du hast von Dr. Romans Ergebnissen gehört. Nichts hat gewirkt.«
    »Doch. Die Überdruckkammer.«
    »Eine Überdruckkammer können sie nicht rechtzeitig hier hoch schaffen. Und ohne Rettungsboot kann ich nicht zurückkehren. Selbst wenn sie mich ließen.«
    »Es muss eine Möglichkeit geben. Irgendeine Methode, wie du den Effekt der Kammer reproduzieren kannst. Es funktioniert bei infizierten Mäusen. Es hält sie am Leben, also muss es
irgendetwas
bewirken. Sie sind die Einzigen, die überlebt haben.«
    Nein,
fiel ihr plötzlich ein.
Nicht die Einzigen.
    Langsam drehte sie sich um und starrte auf die Luke, die zum Verbindungsknoten 1 führte.
    Die Maus,
dachte sie,
ob sie noch lebt?
    »Emma?«
    »Bleib dran. Ich muss im Labor etwas nachsehen.«
    Sie schwamm durch Node 1 hindurch ins US-Labor. Auch hier roch es intensiv nach Blut, und selbst im Dämmerlicht konnte sie die dunklen Flecken an den Wänden erkennen. Sie schwebte auf das Tierhabitat zu, zog den Mäusekäfig heraus und leuchtete mit einer Taschenlampe hinein.
    Der Strahl zeigte ihr einen erbarmungswürdigen Anblick. Der angeschwollene Körper der Maus zuckte im Todeskampf. Mit weit offenem Mund schnappte sie nach Luft und ruderte wild mit den Beinen.
    Du darfst nicht sterben,
dachte sie.
Du bist die Überlebenskünstlerin, die eine große Ausnahme. Der Beweis, dass es für mich noch Hoffnung gibt.
    Die Maus drehte und wand sich in Todesqualen. Ein Blutfaden sickerte zwischen ihren Hinterbeinen hervor und zerfiel in umherwirbelnde Tröpfchen. Emma wusste, was als Nächstes kam: der letzte große Krampfanfall, wenn das Gehirn schließlich zu einem Brei verdauter Proteine zerfiel. Sie sah, wie ein neuer Strom von Blut das Hinterteil der Maus rot färbte. Und dann sah sie plötzlich etwas anderes, etwas Rosiges, das zwischen den Beinen herausragte.
    Es bewegte sich.
    Die Maus zappelte erneut.
    Das rosafarbene Ding glitt ganz heraus, ein sich windendes, haarloses Etwas. An seinem Bauch hing eine glitzernde Schnur. Eine Nabelschnur.
    »Jack«, flüsterte sie. »
Jack!
«
    »Ich höre dich.«
    »Die Maus … das Weibchen …«
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie war die letzten drei Wochen wieder und wieder der Chimäre ausgesetzt, und sie ist nicht erkrankt. Sie ist die Einzige, die überlebt hat.«
    »Sie lebt immer noch?«
    »Ja. Und ich denke, ich weiß, warum. Sie war schwanger.«
    Der Körper der Maus krampfte sich

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