In der Schwebe
wieder zusammen. Ein zweites Junges schlüpfte in einer schimmernden Hülle von Blut und Schleim heraus.
»Es muss in der Nacht passiert sein, als Kenichi sie aus Versehen zu den Männchen gesetzt hat«, sagte sie. »Ich habe sie nicht angefasst. Ich habe nicht daran gedacht …«
»Warum sollte die Schwangerschaft etwas ändern? Warum sollte sie eine Schutzwirkung haben?«
Emma schwebte im Halbdunkel des Labors und suchte angestrengt nach einer Antwort. Die ungewohnten Außenbordarbeiten und der Schock von Luthers Tod hatten sie physisch völlig ausgelaugt. Sie wusste, dass Jack ebenso erschöpft war. Zwei übermüdete Gehirne, die gemeinsam gegen die tickende Zeitbombe von Emmas Infektion ankämpften.
»Okay. Okay, denken wir mal über die Schwangerschaft nach«, sagte sie. »Es ist ein komplexer physiologischer Vorgang. Es ist mehr als das Heranreifen eines Fötus. Der ganze Stoffwechsel ändert sich.«
»Hormone. Bei schwangeren Tieren werden verstärkt Hormone ausgeschüttet. Wenn wir diesen Zustand imitieren könnten, könnten wir die physiologischen Vorgänge reproduzieren, die in dieser Maus stattgefunden haben.«
Hormontherapie.
Sie dachte an die vielen verschiedenen chemischen Substanzen, die im Körper einer schwangeren Frau zirkulieren: Östrogen, Progesteron, Prolaktin, Choriongonadotropin.
»Antibabypillen«, sagte Jack. »Mit kontrazeptiven Hormonen könntest du eine Schwangerschaft nachahmen.«
»Wir haben nichts dergleichen an Bord. Das gehört nicht zur medizinischen Ausstattung.«
»Hast du in Dianas persönlichem Fach nachgesehen?«
»Sie hätte ohne mein Wissen keine Verhütungsmittel genommen. Ich war ihre Ärztin. Ich hätte davon erfahren.«
»Sieh trotzdem nach. Mach schon, Emma.«
Sie schoss aus dem Labor. Im RSM riss sie hastig die Schubladen von Dianas Schrank auf. Es kam ihr falsch vor, in den Habseligkeiten einer anderen Frau herumzuwühlen, selbst wenn die Frau tot war. Zwischen den sorgsam zusammengefalteten Kleidern entdeckte sie einen privaten Bonbonvorrat. Sie hatte nicht gewusst, dass Diana Süßigkeiten gemocht hatte – es gab so vieles, was sie über Diana nicht wusste und nun nie erfahren würde. In einer anderen Schublade fand sie Shampoo, Zahnpasta und Tampons. Keine Antibabypillen.
Sie stieß die Schublade wieder hinein. »In dieser Station gibt es nichts, womit ich etwas anfangen könnte.«
»Wenn wir morgen mit dem Shuttle starten – und dir die Hormone bringen …«
»Das werden die niemals tun! Und wenn ihr mir eine ganze Apotheke raufschickt, es würde trotzdem drei Tage dauern, bis ich an das Zeug käme!«
In drei Tagen war sie wahrscheinlich tot.
Schwer keuchend klammerte sie sich an den blutbespritzten Schrank, ihr ganzer Körper war vor Frustration – und vor schierer Verzweiflung – völlig verspannt.
»Dann müssen wir die Sache eben anders angehen«, sagte Jack. »Lass mich jetzt nicht im Stich, Emma! Du musst mir beim Nachdenken helfen.«
Sie atmete hörbar aus. »Ich gehe schon nicht weg.«
»
Warum
können Hormone eine solche Wirkung haben? Was ist der Mechanismus? Wir wissen, dass es sich dabei um chemische Signale handelt, ein internes Kommunikationssystem auf Zellebene. Sie funktionieren, indem sie die Genexpression aktivieren oder unterdrücken. Indem sie die Programmierung der Zelle verändern …« Er spekulierte jetzt wild drauflos, ließ sich durch seinen Gedankenfluss auf die Lösung zutreiben. »Damit ein Hormon funktionieren kann, muss es einen bestimmten Rezeptor in der Zielzelle binden. Es ist wie ein Schlüssel, der auf der Suche nach dem passenden Schloss ist. Wenn wir uns die Daten von SeaScience genauer ansehen – wenn wir herausfinden, welche andere DNS Dr. Koenig auf das Genom dieses Organismus aufgepfropft hat –, vielleicht erfahren wir dann, wie wir die Vermehrung der Chimäre unterbinden können.«
»Was wissen wir über Dr. Koenig? Worüber hat sie sonst noch geforscht? Das könnte uns einen Hinweis geben.«
»Wir haben ihren Lebenslauf. Wir haben ihre veröffentlichten Artikel über die Archäen gesehen. Abgesehen davon ist sie uns eigentlich ein Rätsel. Genau wie SeaScience. Wir versuchen immer noch, weitere Informationen aufzutreiben.«
Das nimmt kostbare Zeit in Anspruch,
dachte sie.
Und ich habe nicht mehr viel Zeit.
Ihre Hände schmerzten, so fest hatte sie sich an Dianas Schrank geklammert. Jetzt ließ sie los und schwebte, wie auf einer Welle der Verzweiflung getragen, davon. Einzelne Gegenstände
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