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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Problem.«
    Bloomfeld verließ den Raum, und Jack setzte den Kopfhörer auf. Es war ein gutes und vertrautes Gefühl, wieder vor einer Konsole zu sitzen, die gedämpfte Unterhaltung der übrigen Controller zu hören und den Großbildschirm zu beobachten, auf dem sich die Flugbahn der ISS um die Erde als Sinuskurve abzeichnete. Es war vielleicht nicht dasselbe wie ein Platz im Shuttle, aber es war das Nächstbeste, was er für sich erhoffen konnte.
Ich werde nie mehr nach den Sternen greifen können, aber ich kann hier sein und dafür sorgen, dass es anderen gelingt.
Er war verblüfft über die Erkenntnis, dass er diese bittere Wendung in seinem Leben offenbar akzeptiert hatte. Dass er, seinen alten Traum vor Augen und doch für immer davon ausgeschlossen, den Blick aus der Ferne trotz allem genießen konnte.
    Irgendetwas an Kenichi Hirais EKG ließ ihn plötzlich aufschrecken. Er beugte sich vor und starrte auf den Monitor. Die Herzkurve hatte einige Male heftig nach oben und unten ausgeschlagen. Jetzt glitt eine schnurgerade Linie über die obere Hälfte des Bildschirms.
    Jack entspannte sich. Das war nichts Beunruhigendes; er erkannte es als eine elektronische Anomalie – vermutlich ein loses EKG-Kabel. Die Blutdruckkurve war unverändert. Vielleicht hatte sich der Patient bewegt und versehentlich ein Kabel abgerissen. Oder Emma hatte den Monitor abgestellt, damit er ungestört die Toilette benutzen konnte. Jetzt brach die Blutdruckaufzeichnung abrupt ab – ein weiteres Zeichen dafür, dass Kenichi nicht mehr angeschlossen war. Er beobachtete den Monitor noch einige Sekunden und wartete ab, ob die Aufzeichnungen wieder einsetzten.
    Als sich nichts tat, erstattete er Meldung.
    »Capcom, hier Surgeon. Ich sehe ein Lose-Kabel-Muster auf dem EKG des Patienten.«
    »Lose-Kabel-Muster?«
    »Sieht aus, als wäre er nicht mehr an den Monitor angeschlossen. Es kommt keine Herzkurve an. Könnten Sie mal bei Emma nachfragen?«
    »Roger, Surgeon. Ich werde sie anklingeln.«
    Ein leises Piepsen weckte Emma aus einem traumlosen Schlaf, und im Erwachen spürte sie, dass etwas Kühles und Feuchtes sanft ihr Gesicht berührte. Sie hatte eigentlich nicht einnicken wollen. Obwohl die Bodenkontrolle per Biotelemetrie ständig Kenichis EKG überwachte und sie auf jegliche Statusveränderungen aufmerksam machen würde, hatte sie sich vorgenommen, während der gesamten Ruhephase der Crew wach zu bleiben. Doch in den letzten beiden Tagen hatte sie immer nur kurze Ruhepausen einlegen können, und selbst dann war sie häufig von ihren Kollegen gestört worden, die irgendwelche Fragen zu Kenichis Zustand hatten. Endlich hatten die Erschöpfung und die vollkommene Entspannung, die nur in der Schwerelosigkeit möglich ist, sie überwältigt. Sie erinnerte sich noch, dass sie die hypnotisierende Schlangenlinie von Kenichis Herzrhythmus auf dem Monitor beobachtet hatte, die sich vor ihren Augen allmählich in einen verschwommenen grünen Fleck verwandelt hatte. Und dann war alles schwarz geworden.
    Sie spürte den kalten Wasserspritzer auf ihrer Wange und öffnete die Augen. Ein in allen Regenbogenfarben schimmernder Tropfen schwebte durch die Luft auf sie zu. Ein paar Sekunden lang war sie zu benommen, um zu begreifen, was sie da sah, und es dauerte wiederum einige Sekunden, bis sie die Dutzende weiterer Wassertropfen wahrnahm, die wie silbrige Christbaumkugeln um sie herumtanzten.
    In ihrem Kopfhörer war statisches Rauschen zu hören, dann ein Knacken und schließlich eine Stimme: »Äh, Watson, hier Capcom. Wir wecken Sie nur ungern, aber wir müssen den Status der EKG-Kabel des Patienten überprüfen.«
    Heiser vor Erschöpfung antwortete Emma: »Ich bin wach, Capcom, glaube ich jedenfalls.«
    »Die Biotelemetrie weist eine Anomalie im EKG Ihres Patienten auf. Der Surgeon meint, Sie hätten da oben ein paar lockere Kabel.«
    Sie hatte sich im Schlaf in der Luft gedreht und musste sich in dem Modul zunächst wieder orientieren und die Stelle suchen, wo ihr Patient sein sollte.
    Sein Schlafsack war leer. Der herausgerissene Infusionsschlauch schwebte frei umher; aus der Katheteröffnung traten glitzernde Tröpfchen der Salzlösung aus. Ein Gewirr von losen EKG-Kabeln hing in der Luft.
    Sie stellte sofort die Infusionspumpe ab und sah sich in der Kapsel um. »Capcom, er ist nicht hier. Er hat das Modul verlassen! Bleiben Sie dran.« Sie stieß sich von der Wand ab und schoss los in Richtung Node 2, von wo die NASDA- und ESA-Labors

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