In der Schwebe
nach hinten umgeknickte und in zwei Teile zerbrochene Rückgrat eines Marinepiloten gesehen, den der Schleudersitz durch die geschlossene Cockpit-Abdeckung seines Flugzeugs katapultiert hatte.
Dies hier war sehr, sehr viel schlimmer, weil er die Verstorbene gekannt hatte. Weil er sie als lebende, atmende Frau in Erinnerung hatte. Sein Entsetzen war mit Wut gemischt, weil diese drei Männer Jills schutzlosen Körper mit kalter Objektivität betrachteten. Für sie war sie nichts weiter als ein Stück Fleisch, das vor ihnen auf dem Tisch lag. Sie ignorierten ihre Verletzungen, ihre furchtbar verdrehten und zerschmetterten Glieder. Die Todesursache war für sie von untergeordneter Bedeutung. Sie interessierten sich vielmehr dafür, welcher mikrobiologische Trittbrettfahrer sich in ihrer Leiche verbarg.
Roman setzte das Skalpell zum Y-Schnitt an. Seine andere Hand war durch einen mit Stahlgeflecht verstärkten Handschuh geschützt. Der erste Schnitt verlief von der rechten Schulter diagonal über die Brust bis zum Schwertfortsatz, der Zweite spiegelbildlich zum Ersten von der linken Schulter aus zur Brustmitte hin. Von der Stelle, an der die beiden Linien sich trafen, schnitt er den Bauch in Längsrichtung bis zum Schambein auf, wobei er den Nabel mit einem kleinen Zacken umging. Dann wurden die Rippen durchtrennt und das Brustbein gelöst. Jetzt konnten sie den knöchernen Schutzschild abheben und so die Brusthöhle freilegen.
Die Todesursache war sofort offensichtlich.
Wenn ein Flugzeug abstürzt, ein Auto gegen eine Mauer rast oder ein Mensch sich aus Liebeskummer aus dem zehnten Stock stürzt, ist die so genannte Kraft der Dezeleration, die auf den Körper einwirkt, immer die Gleiche. Die Geschwindigkeit, mit der er sich bewegt hat, fällt abrupt auf Null. Durch den Aufprall können Rippen zerschmettert werden, und Knochensplitter können sich in lebenswichtige Organe bohren. Es kann zu Wirbelfrakturen mit Durchtrennung des Rückenmarks kommen, der Schädel kann gegen das Armaturenbrett oder die Instrumententafel geschleudert werden. Doch selbst wenn ein Pilot korrekt angeschnallt ist und seinen Helm trägt, kann allein die Kraft der Dezeleration tödliche Auswirkungen haben – der Rumpf mag zwar durch den Gurt gesichert sein, die inneren Organe sind es jedoch nicht. Herz, Lunge und große Blutgefäße werden in der Brusthöhle nur durch Gewebefasern an Ort und Stelle gehalten. Wenn der Rumpf nun plötzlich zum Stillstand gebracht wird, schwingt das Herz weiter wie ein Pendel, und durch die heftigen Bewegungen kann Gewebe beschädigt oder gar die Aorta zerrissen werden. Das Blut ergießt sich dann in das Mediastinum und die Pleurahöhle.
Jill Hewitts Brusthöhle war ein einziger See von Blut.
Roman saugte es ab und betrachtete stirnrunzelnd das Herz und die Lungenflügel. »Ich kann nicht erkennen, wo das Blut ausgetreten ist«, sagte er.
»Warum nehmen wir nicht den ganzen Block raus?«, meinte sein Assistent. »Dann könnten wir besser sehen.«
»Der Riss ist höchstwahrscheinlich in der aufsteigenden Aorta«, sagte Jack. »In fünfundsechzig Prozent der Fälle befindet er sich unmittelbar oberhalb der Aortaklappe.«
Roman warf ihm einen verärgerten Blick zu. Bisher hatte er Jack ignorieren können; diese Einmischung aber nahm er ihm offensichtlich übel. Ohne ein Wort zu sagen, setzte er erneut das Skalpell an, um die großen Blutgefäße zu durchtrennen.
»Ich rate Ihnen, das Herz zunächst in situ zu untersuchen«, meinte Jack. »Bevor Sie schneiden.«
»Wie und an welcher Stelle sie verblutet ist, interessiert mich nur am Rande«, gab Roman zurück.
Es ist ihnen im Grunde egal, woran sie gestorben ist,
dachte Jack.
Sie wollen nur wissen, welcher Organismus möglicherweise in ihr heranwächst und sich vermehrt.
Roman durchschnitt die Luftröhre, die Speiseröhre und die großen Blutgefäße und nahm dann Herz und Lunge in einem Stück heraus. Beide Lungenflügel waren mit Blutergüssen übersät. Traumatisch oder infektiös? Jack wusste es nicht. Als Nächstes untersuchte Roman die Bauchorgane. Der Dünndarm war wie die Lungen mit Schleimhauthämatomen bedeckt. Er entfernte ihn und legte die feucht glänzenden Eingeweide in eine Schüssel. Jetzt schnitt er den Magen, die Bauchspeicheldrüse und die Leber heraus. Alle Organe würden seziert und unter dem Mikroskop untersucht werden. Von dem Gewebe würde man Kulturen anlegen, um Bakterien und Viren zu identifizieren.
Der Leiche fehlten nun fast
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