Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
ein. Wenn sie auf der Rampe explodiert, legen wir wenigstens einen Abgang hin, der sich gewaschen hat.«
    »Jawoll. Das konnten wir schon immer gut.«
    Sie grinsten.
    Casper stand auf. »Gute Besserung, Sully«, sagte er. »Wir brauchen dich noch für die
Apogee III.
«
    Als er in das Wartezimmer zurückkam, war Bridget immer noch da. »Und was jetzt?«, fragte sie.
    »Wir starten planmäßig.«
    »Unbemannt?«
    Er nickte. »Wir steuern sie vom Kontrollraum aus.«
    Zu seiner Verblüffung reagierte sie mit einem erleichterten Schnaufen. »Halleluja!«
    »Worüber freust du dich denn so? Unser Mann liegt im Krankenhaus.«
    »Genau.« Sie warf ihre Handtasche über die Schulter und wandte sich zum Gehen. »Das bedeutet, er kann nicht dabei sein und alles vermasseln.«

11. August
    Nikolai Rudenko schwebte in der Druckschleuse und sah zu, wie Luther sich hüftwackelnd in den unteren Rumpfteil seines Raumanzugs zwängte. Für den schmächtigen Nikolai war Luther mit seinen breiten Schultern und säulenartigen Beinen ein exotischer Riese. Und dann seine Haut! Während Nikolai im Lauf der Monate an Bord der ISS käseweiß geworden war, hatte Luther immer noch seinen glänzenden tiefbraunen Teint; ein verblüffender Kontrast zu den blassen Gesichtern, die diese ansonsten farblose Welt bewohnten. Nikolai war bereits fertig verpackt und wartete neben Luther, um seinem Partner beim Anlegen des Oberteils seines Raumanzugs zu assistieren. Sie redeten wenig miteinander; keiner der beiden war in der Stimmung für Smalltalk.
    Sie hatten zusammen eine weitgehend schweigsame »Nacht« in der Druckschleuse verbracht, wo sich ihr Organismus an den niedrigeren atmosphärischen Druck von 700 Hektopascal gewöhnen konnte – zwei Drittel des normalen Drucks in der Station. In ihren Raumanzügen würde er mit knapp 300 hPa noch niedriger sein. Die Anzüge konnten nicht stärker aufgepumpt werden, weil Arme und Beine sonst zu steif und unbeweglich wurden und die Astronauten die Gelenke nicht mehr beugen konnten. Begab man sich allerdings direkt aus einem Raumschiff mit vollem Druck in einen Außenbordanzug, war der Effekt der gleiche wie beim zu schnellen Auftauchen aus den Tiefen des Ozeans. Ein Astronaut konnte von der Taucherkrankheit befallen werden. Im Blut bildeten sich Stickstoffbläschen und verstopften die Kapillargefäße, sodass die lebenswichtige Sauerstoffversorgung von Gehirn und Rückenmark unterbunden wurde. Die Folgen konnten katastrophal sein: Lähmung oder gar ein Schlaganfall. Wie Tiefseetaucher mussten auch Astronauten ihrem Körper Zeit geben, sich allmählich an die veränderten Druckverhältnisse anzupassen. Am Abend vor einem »Weltraumspaziergang« spülte die Crew ihre Lungen mit hundertprozentigem Sauerstoff durch und »campte« die Nacht über in der Druckschleuse. Stundenlang waren sie in einer kleinen Kammer eingeschlossen, die ohnehin schon mit Geräten voll gestopft war. Kein Ort für Leute, die unter Klaustrophobie litten.
    Die Arme über dem Kopf ausgestreckt, wand sich Luther in den starren oberen Rumpfteil hinein, der an der Wand befestigt war. Es war ein anstrengender Tanz, etwa so, als zwängte man sich in einen viel zu engen Tunnel hinein. Endlich gelang es ihm, den Kopf durch die Halsöffnung zu stecken, worauf Nikolai ihm half, den Hüftring zu schließen, mit dem die beiden Teile luftdicht verbunden wurden.
    Sie setzten ihre Helme auf. Als Nikolai nach unten schaute, um den Helm mit dem Rumpfteil zu verbinden, bemerkte er, dass am Rand des Halsrings etwas glitzerte. Sicher nur Spucke, dachte er und befestigte den Helm. Sie zogen ihre Handschuhe an. Nachdem sie sicher in ihren Anzügen verpackt waren, öffneten sie die Luke der Ausrüstungsschleuse, stiegen in die dahinter liegende Mannschaftsschleuse und schlossen die Luke hinter sich. Sie befanden sich jetzt in einer noch kleineren Kammer, kaum groß genug, um die beiden Männer mit ihren sperrigen tragbaren Lebenserhaltungssystemen aufzunehmen.
    Als Nächstes war ein dreißig Minuten dauerndes »Voratmen« angesagt. Während sie reinen Sauerstoff inhalierten und ihr Blut von den letzten Stickstoffspuren reinigten, ließ Nikolai sich mit geschlossenen Augen treiben und bereitete sich innerlich auf den bevorstehenden Weltraumspaziergang vor. Wenn es ihnen nicht gelang, die klemmende Beta-Kardanaufhängung zu reparieren und die Kollektoren wieder zur Sonne hin auszurichten, würde ihnen der Strom ausgehen. Dann waren sie lahm gelegt. Was Nikolai und

Weitere Kostenlose Bücher