In der Schwebe
Daten.
GTGATTAAAGTGGTTAAAGTTGCTCATGTTCAAT
TATGCAGTTGTTGCGGTTGCTTAGTGTCTTTAGC
AGACACATATGAAAAGCTTTTAGATGTTTTGAAT
TCAATTGAGTTGGTTTATTGTCAAACTTAGCAGATGCAAGAG
AAATTCCTGAATGCGGATATTGCTTTAGTTGAAGGCTCTGT …
Es waren immer nur die gleichen vier Buchstaben, G, T, A und C – eine Nucleotidsequenz, in der jeder Buchstabe für einen der Bausteine der DNS stand, des genetischen Bauplans aller lebenden Organismen.
Carlos wandte sich um, als er Romans Schritte hörte, und sein Gesichtsausdruck verriet deutlich, was in ihm vorging. Er hatte Angst.
Genau wie Heisinger,
dachte Roman.
Alle haben Angst.
Roman setzte sich neben ihn. »Ist es das?«, fragte er und deutete auf den Monitor.
»Das stammt von dem Organismus, der Kenichi Hirai infiziert hat. Wir haben es aus den Überresten gewonnen, die wir … von den Wänden der
Discovery
abkratzen konnten.«
Überreste
war der angemessene Ausdruck für das, was von Hirais Leiche übriggeblieben war. Zerfetzte Gewebeklumpen, die überall an den Wänden des Orbiters geklebt hatten. »Der größte Teil der DNS lässt sich nicht identifizieren. Wir haben keine Ahnung, was darin kodiert ist. Aber diese spezielle Sequenz, die Sie hier auf dem Bildschirm sehen, konnten wir identifizieren. Es ist das Gen für das Coenzym F420.«
»Und was ist das?«
»Ein Enzym, das charakteristisch für Archäen ist.«
Roman lehnte sich zurück; er spürte eine leichte Übelkeit. »Jetzt haben wir also die Bestätigung«, murmelte er. »Ja. Der Organismus weist eindeutig Archäen-DNS auf.« Carlos zögerte. »Ich fürchte, wir haben schlimme Nachrichten.«
»Was meinen Sie mit schlimmen Nachrichten? Ist das hier nicht schlimm genug?«
Carlos drückte eine Taste, und auf dem Bildschirm erschien ein anderer Abschnitt der Nucleotidsequenz. »Das hier ist ein weiterer Gencluster, den wir gefunden haben. Ich dachte zuerst, es müsse sich um einen Fehler handeln, aber ich habe es inzwischen überprüft. Die Gene stimmen mit denen von
Rana pipiens
überein. Dem nördlichen Leopardfrosch.«
»Was?«
»Sie haben richtig gehört. Keine Ahnung, wie es an die Froschgene gekommen ist. Aber jetzt wird es wirklich unheimlich.« Carlos rief eine weitere Genomsequenz auf. »Noch ein identifizierbarer Cluster«, sagte er.
Roman spürte einen kalten Schauer im Rücken. »Und was sind das für Gene?«
»Die DNS ist spezifisch für
Mus musculis
. Die Hausmaus.« Roman starrte ihn entgeistert an. »Das ist unmöglich!«
»Ich habe es nachgeprüft. Irgendwie ist es dieser Lebensform gelungen, Säugetier-DNS in ihr Genom zu integrieren. Sie hat neue enzymatische Möglichkeiten hinzugewonnen. Sie verändert sich. Entwickelt sich weiter.«
Zu was?
, fragte sich Roman.
»Es gibt noch mehr.« Wieder drückte Carlos eine Taste, um eine weitere Nucleotidsequenz sichtbar zu machen. »Dieser Cluster stammt ebenfalls nicht von Archäen.«
»Was ist es? Auch Mäuse-DNS?«
»Nein. Dieser Teil ist menschlichen Ursprungs.«
Der kalte Schauer erfasste nun Romans ganzen Rücken. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Wie benommen griff er nach dem Telefon.
»Verbinden Sie mich mit dem Weißen Haus«, sagte er. »Ich muss mit Jared Profitt sprechen.«
Schon beim zweiten Klingeln wurde der Hörer abgenommen.
»Hier ist Profitt.«
»Wir haben die DNS analysiert«, sagte Roman.
»Und?«
»Die Situation ist schlimmer, als wir dachten.«
18
Nikolai musste eine Ruhepause einlegen, seine Arme zitterten vor Überanstrengung. Die Monate im Weltraum hatten seinen Körper geschwächt und von physischer Anstrengung entwöhnt. In der Mikrogravitation gibt es kein schweres Heben und überhaupt nur wenig Anlass, die Muskeln anzustrengen. In den vergangenen fünf Stunden hatten er und Luther ununterbrochen gearbeitet; sie hatten die S-Band-Antenne repariert und die Kardanaufhängung ausgebaut und neu zusammengesetzt. Jetzt war er erschöpft. Allein die zusätzliche Anstrengung, die es kostete, in dem prall aufgepumpten Raumanzug die Arme anzuwinkeln, erschwerte selbst die einfachsten Verrichtungen.
Ohnehin war das Arbeiten in dem Anzug eine Tortur. Um den menschlichen Körper gegen die extremen Außentemperaturen zu isolieren, die von 160 Grad Kälte bis zu 120 Grad Hitze reichten, und um dem Vakuum des Weltraums einen entsprechenden Druck entgegenzusetzen, war der Raumanzug aus mehreren Schichten verschiedener Materialien zusammengesetzt. Aluminiumbeschichtetes Mylar und reißfestes Dacron sorgten für die Isolierung, darüber lag
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