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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schaffen, als das direkte Sonnenlicht verschwunden war. Baedecker konnte zwei Vulkanberge sehen, auf die weit entfernt im Norden und Osten noch Licht fiel. Sie warteten, bis die Holzkohle glühte, brieten nur das Äußere ihrer Hamburger leicht an, legten dicke Zwiebelscheiben darauf und aßen heißhungrig, wobei sich jeder eine frische Dose Bier zum Essen aufmachte.
    »Hast du je daran gedacht, die Ranch zu kaufen und zu renovieren?« fragte Baedecker.
    Dave schüttelte den Kopf. »Zu viele Geister.«
    »Trotzdem bist zu zurückgekommen und lebst in der Nähe.«
    »Ja.«
    »Ich kenne jemanden«, sagte Baedecker, »die behauptet, es könnte Orte der Macht geben. Sie glaubt, es gäbe Schlimmeres, als sein Leben lang danach zu suchen. Was meinst du dazu?«
    »Orte der Macht«, sagte Dave. »Wie Miz Callahans magnetische Kraftlinien, hm?«
    Baedecker nickte. Die Vorstellung hörte sich absurd an.
    »Ich glaube, deine Freundin hat recht«, sagte Dave. Er zog noch ein Bier aus der Kühltasche und schüttelte das Eis ab. »Aber ich wette, es verhält sich komplizierter. Es gibt Orte der Macht ja -, daran kann kein Zweifel bestehen. Aber es läuft wieder auf das hinaus, worüber wir gestern nacht gesprochen haben. Man muß mithelfen, sie zu machen. Man muß zur rechten Zeit am rechten Ort sein und es wissen.«
    »Woher weiß man es?« fragte Dave.
    »Indem man davon träumt, aber nicht darüber nachdenkt«, sagte Dave.
    Baedecker machte eine neue Bierdose auf und legte die Füße aufs Armaturenbrett. Das Haus war nur noch eine Silhouette vor dem dunklen Himmel. Er zog den Reißverschluß der Jacke hoch. »Indem man davon träumt, aber nicht darüber nachdenkt«, sagte er.
    »Richtig. Hast du je Zen-Meditation versucht?«
    »Nein«, sagte Baedecker.
    »Aber ich vor ein paar Jahren«, sagte Dave. »Es geht darum, jegliches Denken zu verdrängen, damit nichts mehr zwischen einem selbst und dem Ding steht. Indem man nicht hin sieht, soll man klar sehen.«
    »Hat es funktioniert?«
    »Nee«, sagte Dave, »bei mir nicht. Ich saß da und sang mein Mantra oder was auch immer und dachte an jedes verdammte Ding im Universum. Meistens hatte ich einen Ständer wegen erotischen Tagträumen. Aber ich habe etwas gefunden, das funktionierte.«
    »Und das wäre?«
    »Unser Training für die Mission«, sagte Dave. »Die endlosen Simulationen wirkten ziemlich genau so, wie die Meditation wirken sollte, aber nicht tat.«
    Baedecker schüttelte den Kopf. »Dem kann ich nicht zustimmen. Ganz im Gegenteil. Als die Sache schließlich über die Bühne ging, war es genau wie bei den Simulationen. Ich konnte gar nichts richtig erfahren, weil die ganzen Simulationen eine Art Vorprogrammierung in mir erzeugt hatten.«
    »Ja«, sagte Dave und aß den letzten Bissen seines Hamburgers, »das habe ich auch gedacht. Aber dann wurde mir klar, daß es gar nicht stimmt. Wir haben diese zwei Tage auf dem Mond in ein Sakrament verwandelt.«
    »Ein Sakrament?« Baedecker zog die Mütze tief ins
    Gesicht und runzelte die Stirn. »Ein Sakrament?«
    »Joan war katholisch, oder nicht?« fragte Dave. »Ich weiß, in Houston bist du ab und zu mit ihr zur Messe gegangen.«
    »Ja.«
    »Nun, dann weißt du, was ich meine, obwohl sie es heute nicht mehr so gut machen wie früher, als ich ein Kind war und mit Ma hingegangen bin. Das Latein hat geholfen.«
    »Wobei geholfen?«
    »Bei dem Ritual geholfen«, sagte Dave. »So wie bei der Mission die Simulationen geholfen haben. Je mehr alles zum Ritual wird, umso weniger stören Gedanken. Weißt du, was Buzz Aldrin als erstes getan hat, als sie nach der Landung von Apollo 11 ein paar Minuten Zeit für sich hatten?«
    »Das Abendmahl eingenommen«, sagte Baedecker. »Er hatte den Wein und alles in seiner persönlichen Ausrüstung dabei. Er war ... was? ... Presbyterianer?«
    »Unwichtig«, sagte Dave. »Was Buzz nicht bewußt wurde, ist, daß die Mission selbst schon das Ritual war, das Sakrament war bereits vorhanden und wartete nur darauf, daß es jemand feierte.«
    »Wie das?« sagte Baedecker, aber ihm wurde bereits tief im Inneren klar, daß Dave recht hatte.
    »Ich habe das Foto gesehen, das du dortgelassen hast«, sagte Dave. »Das Bild von dir, Joan und Scott. Neben der seismischen Versuchseinheit.«
    Baedecker sagte nichts. Er erinnerte sich, wie er in der lunaren Dämmerung vor dem Bild kniete, die Schichten des Druckanzugs steif und unförmig um ihn herum, das grelle Sonnenlicht ein Segen.
    »Ich habe eine alte

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