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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Starfighter geschlossen wird und er kühlen Sauerstoff atmet. Es handelt sich nicht um einen Testflug. An dieser F-104 ist nichts ungetestet; das Flugzeug aus Chromlegierung besteht aus auf Herz und Nieren geprüfter Ausrüstung und soll zu einer Luftwaffenschwadron der Homestead Air Force-Basis südlich von Miami überführt werden. Baedecker hat zwei Wochen damit verbracht, mit der Maschine kreuz und quer durch das Land zu fliegen, sein erster politischer Job für die NASA, bei dem er bedeutenden Persönlichkeiten der Marine und Armee, die neugierig auf das neue Kampfflugzeug waren, zu Freiflügen mitnehmen mußte. Ein Admiral im Ruhestand in Pensacola ein Bär von einem Mann, zu dick für den Kampfanzug und fast zu dick für den Rücksitz hatte Baedecker nach dem Rundflug auf die Schulter geklopft und gesagt: »Absolut erstklassiges Flugzeug.« Wie die meisten Piloten, die mit der Maschine geflogen sind, kann Baedecker dem nicht rückhaltlos zustimmen. Das Flugzeug ist beeindruckend wegen seiner Leistungskraft und rohen Kraft tatsächlich wurde es in Edwards als Leistungstest für die X-15 benutzt, die Baedecker Anfang dieses Sommers erstmalig geflogen hatte -, aber es ist kein erstklassiges Flugzeug; es ist ein Triebwerk mit daran befestigtem Schleudersitz, in diesem Fall sogar zwei Sitzen, sowie zwei kurzen Stummelflügeln, die etwa soviel Oberfläche bieten wie die Federn an einem Pfeil.
    Baedecker sitzt an diesem ausnehmend heißen Augusttag im Cockpit und ist froh, daß die Tour vorbei ist; er hat einen zehnminütigen Alleinflug nach Homestead vor sich, dann kehrt er mit einem C-130-Transporter nach Kalifornien zurück. Er beneidet die Luftwaffenpiloten nicht, die die F-104 tagtäglich fliegen müssen.
    Hitzeflimmern steigt empor und verzerrt die Startbahn und die Mangrovenbäume dahinter. Baedecker rollt in Position, erbittet Starterlaubnis vom Tower und hält die Bremsen, während er die Maschine auf volle Leistung hochjagt. Er kann spüren, daß alles klar ist, noch bevor die Skalen ihre erwarteten Werte verkünden. Die Maschine wehrt sich gegen das mechanische Zaumzeug wie ein halbwildes Vollblut in der Startbox.
    Baedecker funkt den Tower noch einmal an und läßt die Bremsen nach. Die Maschine schnellt nach vorn und rammt ihn in den Sitz, während die Mittelstreifen der Startbahn unter dem Bug der Maschine zu einer einzigen Linie verschmelzen. Dennoch beansprucht das Monster einen unangemessenen Teil der Startbahn, bevor es Startgeschwindigkeit erreicht. Baedecker reißt den Bug brutal zu einer unsichtbaren Linie zwanzig Grad über der näherkommenden Baumreihe hoch, spürt das Flugzeug vom Boden abheben, zieht das Fahrgestell ein und kickt den Nachbrenner.
    Dann geschieht alles gleichzeitig. Die Energie sinkt auf zehn Prozent des erforderlichen Maßes, Baedeckers Armaturenbrett leuchtet rot auf, er weiß ohne nachzudenken, daß die Flansche um den Nachbrenner herum aufgegangen sind und der Schub nutzlos als brennende Spur hinter ihm verglüht; der Stauflugalarm heult panisch. Baedecker zieht den Bug instinktiv nach unten, erkennt, daß er weder genügend Zeit noch ausreichend Flughöhe hat, und reißt den Knüppel genau in dem Augenblick scharf zurück, als die ersten Äste unter dem Bauch der abstürzenden F-104 abbrechen. Baedecker kauert sich beinahe in Embryonalhaltung zusammen, zieht den D-Ring, sieht die Haube in einem seltsam stummen Akt der Levitation davonfliegen und wartet die Ewigkeit von 1,75 Sekunden, bevor der Schleudersitz zündet und er der Haube folgt, aber zu spät, das Flugzeug streift jetzt dicke Äste, mäht ganze Stämme von Pinien ab, und das trudelnde Heck rammt gegen den Sockel seines Schleudersitzes, kein fester Schlag, sondern ein Streifen, nach dem der Schleudersitz sich überschlägt, Baedecker wird verkehrt herum herausgeschleudert, der Fallschirm öffnet sich in Richtung der zwölf Meter tiefer gelegenen Vegetation, Baedeckers beide Knöchel sind schon durch den Aufprall gebrochen, sein Kopf dröhnt. Dann bauscht sich der Hauptfallschirm auf, Baedeckers Füße zeigen zum Himmel wie die eines Kindes, das zu hoch schaukelt, der Ruck ist zu stark und bricht ihm die linke Schulter beim Öffnen und die rechte, nachdem er einmal fast vollständig herumgewirbelt wurde; der Hauptfallschirm schleift jetzt unter ihm dahin, ein inverser orangeroter Schirm, der versucht, in sich zusammenzufallen und ihn zu dem fliegenden Flammenball nach unten zu ziehen, aber soweit kommt es nicht,

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