In der Schwebe
sagte Dave. »Ich kann die Kapitel über die Personen ums Verrecken nicht schreiben. Selbst wenn meine Arbeit auf dem Hill mir die Zeit ließe, zu reisen und zu recherchieren was nicht möglich ist -, könnte ich den Teil nicht schreiben.«
»Das Kapitel über diesen Russen, Beljajew, war großartig«, sagte Baedecker.
»Ich habe den ganzen Mist aufgeschnappt, als ich wegen der ASTP drüben war«, sagte Dave. »Die aktuellsten Abschnitte sind zehn Jahre alt. Der wichtigste Teil des Buches wird sein, was unsere amerikanischen Jungs so treiben. Und ich will auch nichts von dieser Reader's Digest-Pappe: ›Lieutenant Colonel Brick Masterson hat die Agentur verlassen und widmet sich einer erfolgreichen Laufbahn, bei der er seinen Großhandel mit AustinBier mit einer Mannschaft lesbischer Schlammcatcherinnen verbindet, deren Mitbesitzer er ist.‹ Nn-nnn, Richard, ich will wissen, was diese Burschen empfinden. Ich will wissen, was sie ihren Frauen mitten in der Nacht nicht verraten, wenn sie nicht schlafen können. Ich will wissen, was sie in ihrem tiefsten Inneren bewegt. Es ist mir egal, wie schlecht wir Ex-Raumfahrer uns ausdrücken können, ich erwarte, daß du mit deinem kleinen epistemologischen Proktoskop da reintauchst ... verdammt, das ist gut ... ich kann nicht so betrunken sein, wenn ich das aussprechen kann, hm? Ich möchte, daß du herausfindest, was wir über uns selbst wissen müssen, okay?«
»Ich glaube nicht...«, begann Baedecker.
»Bitte halt den Mund«, sagte Dave. »Denk darüber nach. Laß es mich wissen bis, sagen wir, wenn das Baby auf der Welt ist. Ein paar Wochen später wollen wir wieder nach Salem und Lonerock zurückkehren. Denk bis dahin darüber nach. Das ist ein Befehl, Baedecker.«
»Jassöhr.«
»Himmel«, sagte Dave. »Du hast diese arme Schlange da hinten überfahren, dabei war es nicht einmal eine Klapperschlange.«
Baedecker liegt auf dem Sofa in Daves Arbeitszimmer, beobachtet Rechtecke aus Licht von vorbeifahrenden Autos, die über die Bücherregale wandern, und denkt nach. Er erinnert sich an Daves Bemerkung: ›Ich glaube, glücklicher bin ich nie gewesen‹, und versucht, einen vergleichbaren Augenblick für sich selbst zu finden. Dutzende Erinnerungen fallen ihm ein aus der Kindheit, den ersten Jahren mit Joan, die Nacht, in der Scott zur Welt kam -, aber so wichtig und befriedigend jede einzelne ist, sie werden eine nach der anderen verworfen. Dann erinnert er sich an ein einziges, einmaliges Ereignis, das ihn durch die Jahre begleitet hat wie ein abgegriffener Schnappschuß und ihm über Einsamkeit und Enttäuschungen hinweggeholfen hat.
Es war eine Kleinigkeit. Ein paar Minuten. Er flog in den letzten Monaten der Ausbildung vom Cape nach Houston zurück. Er saß allein in seiner T-38 genau wie Dave vor einer Woche -, als er, einer Eingebung folgend, das kleine Viertel überflogen hatte, wo er wohnte. Baedecker erinnert sich an den perfekten Zeitpunkt, als seine Frau und sein Kind ins Freie kamen, und daran, wie deutlich er sie aus einer Höhe von zweihundertvierzig Metern und bei einer Geschwindigkeit von fünfhundert Meilen pro Stunde erkennen konnte. Er erinnert sich an das Sonnenlicht, das auf der Plexiglaskuppel tanzte, als er mit der T-38 einen Triumphlooping flog, und dann noch einen, um dem Himmel, dem Tag, der bevorstehenden Mission und seiner Liebe zu den beiden winzigen Gestalten da unten zu huldigen.
Jemand im Haus hustet laut, und Baedecker schreckt aus seinem leichten Dösen auf, da er konditioniert ist, weil er jahrelang dem keuchenden Atmen seines Sohnes in der Nacht lauschen mußte. Er beobachtet ein Rechteck aus weißen Licht, das über die dunklen Bücher wandert, und versucht sich zu entspannen.
Schließlich schläft er ein. Und der Traum kommt.
Es ist einer von nur zwei oder drei Träumen, die Baedecker hat, von denen er weiß, daß sie keine Träume sind. Sie sind Erinnerungen. Er hat sie seit Jahren. Als er stöhnend erwacht und sich an der Armlehne festklammert, weiß er sofort, daß es der Traum gewesen ist. Und als er sich in Daves dunklem Arbeitszimmer aufrichtet und der Schweiß bereits auf seinem Gesicht trocknet, weiß er auch, daß der Traum dieses Mal das erste Mal anders gewesen ist.
Bisher ist der Traum stets derselbe gewesen. Es ist August 1962 und er startet von Whiting Field bei Pensacola, Florida. Der Tag ist schwindelerregend heiß und unglaublich schwül, daher empfindet er es als Erleichterung, als das Cockpit der F-104
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