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In der Strafkolonie

In der Strafkolonie

Titel: In der Strafkolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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oben, daß Sie da sind. Nach verschiedenen gleichgültigen,
    lächerlichen, nur für die Zuhörer berechneten Verhandlungsge-
    genständen — meistens sind es Hafenbauten, immer wieder Ha-
    fenbauten! — kommt auch das Gerichtsverfahren zur Sprache.
    Sollte es von seiten des Kommandanten nicht oder nicht bald ge-
    nug geschehen, so werde ich dafür sorgen, daß es geschieht. Ich
    werde aufstehen und die Meldung von der heutigen Exekution
    erstatten. Ganz kurz, nur diese Meldung. Eine solche Meldung
    ist zwar dort nicht üblich, aber ich tue es doch. Der Komman-
    dant dankt mir, wie immer, mit freundlichem Lächeln, und nun,
    er kann sich nicht zurückhalten, erfaßt er die gute Gelegenheit.
    ›Es wurde eben,‹ so oder ähnlich wird er sprechen, ›die Meldung
    von der Exekution erstattet. Ich möchte dieser Meldung nur
    hinzufügen, daß gerade dieser Exekution der große Forscher
    beigewohnt hat, von dessen unsere Kolonie so außerordentlich
    ehrenden Besuch Sie alle wissen. Auch unsere heutige Sitzung
    ist durch seine Anwesenheit in ihrer Bedeutung erhöht. Wollen
    wir nun nicht an diesen großen Forscher die Frage richten, wie
    er die Exekution nach altem Brauch und das Verfahren, das ihr
    vorausgeht, beurteilt?‹ Natürlich überall Beifall klatschen, allge-
    meine Zustimmung, ich bin der lauteste. Der Kommandant ver-
    beugt sich vor Ihnen und sagt: ›Dann stelle ich im Namen aller
    die Frage.‹ Und nun treten Sie an die Brüstung. Legen Sie die
    Hände für alle sichtbar hin, sonst fassen sie die Damen und spie-
    len mit den Fingern. — Und jetzt kommt endlich Ihr Wort. Ich
    weiß nicht, wie ich die Spannung der Stunden bis dahin ertragen
    werde. In Ihrer Rede müssen Sie sich keine Schranken setzen,
    machen Sie mit der Wahrheit Lärm, beugen Sie sich über die
    Brüstung, brüllen Sie, aber ja, brüllen Sie dem Kommandanten
    Ihre Meinung, Ihre unerschütterliche Meinung zu. Aber viel-
    leicht wollen Sie das nicht, es entspricht nicht Ihrem Charakter,
    in Ihrer Heimat verhält man sich vielleicht in solchen Lagen an-
    ders, auch das ist richtig, auch das genügt vollkommen, stehen
    Sie gar nicht auf, sagen Sie nur ein paar Worte, flüstern Sie sie,
    daß sie gerade noch die Beamten unter Ihnen hören, es genügt,
    Sie müssen gar nicht selbst von der mangelnden Teilnahme an
    der Exekution, von dem kreischenden Rad, dem zerrissenen Rie-
    men, dem widerlichen Filz reden, nein, alles Weitere übernehme
    ich, und, glauben Sie, wenn meine Rede ihn nicht aus dem Saale
    jagt, so wird sie ihn auf die Knie zwingen, daß er bekennen muß:
    Alter Kommandant, vor dir beuge ich mich. — Das ist mein
    Plan; wollen Sie mir zu seiner Ausführung helfen? Aber natür-
    lich wollen Sie, mehr als das, Sie müssen.« Und der Offizier faßt
    den Reisenden an beiden Armen und sah ihm schwer atmend
    ins Gesicht. Die letzten Sätze hatte er so geschrien, daß selbst der
    Soldat und der Verurteilte aufmerksam geworden waren; trotz-
    dem sie nichts verstehen konnten, hielten sie doch im Essen inne
    und sahen kauend zum Reisenden hinüber.
    Die Antwort, die er zu geben hatte, war für den Reisenden
    von allem Anfang an zweifellos; er hatte in seinem Leben zu
    viel erfahren, als daß er hier hätte schwanken können; er war
    im Grunde ehrlich und hatte keine Furcht. Trotzdem zöger-
    te er jetzt im Anblick des Soldaten und des Verurteilten einen
    Atemzug lang. Schließlich aber sagte er, wie er mußte: »Nein.«
    Der Offizier blinzelte mehrmals mit den Augen, ließ aber keinen
    Blick von ihm. »Wollen Sie eine Erklärung?« fragte der Reisende.
    Der Offizier nickte stumm. »Ich bin ein Gegner dieses Verfah-
    rens,« sagte nun der Reisende, »noch ehe Sie mich ins Vertrauen
    zogen — dieses Vertrauen werde ich natürlich unter keinen Um-
    ständen mißbrauchen — habe ich schon überlegt, ob ich berech-
    tigt wäre, gegen dieses Verfahren einzuschreiten und ob mein
    Einschreiten auch nur eine kleine Aussicht auf Erfolg haben
    könnte. An wen ich mich dabei zuerst wenden müßte, war mir
    klar: an den Kommandanten natürlich. Sie haben es mir noch
    klarer gemacht, ohne aber etwa meinen Entschluß erst befestigt
    zu haben, im Gegenteil, Ihre ehrliche Überzeugung geht mir
    nahe, wenn sie mich auch nicht beirren kann.«
    Der Offizier blieb stumm, wendete sich der Maschine zu, faß-
    te eine der Messingstangen und sah dann, ein wenig zurückge-
    beugt, zum Zeichner hinauf, als prüfe er, ob alles in Ordnung
    sei. Der Soldat und der

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