In der Strafkolonie
wirkliche Schrift umzieht den Leib nur in
einem schmalen Gürtel; der übrige Körper ist für Verzierungen
bestimmt. Können Sie jetzt die Arbeit der Egge und des ganzen
Apparates würdigen? — Sehen Sie doch!« Er sprang auf die Lei-
ter, drehte ein Rad, rief hinunter: »Achtung, treten Sie zur Sei-
te!«, und alles kam in Gang. Hätte das Rad nicht gekreischt, es
wäre herrlich gewesen. Als sei der Offizier von diesem störenden
Rad überrascht, drohte er ihm mit der Faust, breitete dann, sich
entschuldigend, zum Reisenden hin die Arme aus und kletterte
eilig hinunter, um den Gang des Apparates von unten zu be-
obachten. Noch war etwas nicht in Ordnung, das nur er merk-
te; er kletterte wieder hinauf, griff mit beiden Händen in das
Innere des Zeichners, glitt dann, um rascher hinunterzukom-
men, statt die Leiter zu benutzen, an der einen Stange hinunter
und schrie nun, um sich im Lärm verständlich zu machen, mit
äußerster Anspannung dem Reisenden ins Ohr: »Begreifen Sie
den Vorgang? Die Egge fängt zu schreiben an; ist sie mit der er-
sten Anlage der Schrift auf dem Rücken des Mannes fertig, rollt
die Watteschicht und wälzt den Körper langsam auf die Seite,
um der Egge neuen Raum zu bieten. Inzwischen legen sich die
wundbeschriebenen Stellen auf die Watte, welche infolge der
besonderen Präparierung sofort die Blutung stillt und zu neuer
Vertiefung der Schrift vorbereitet. Hier die Zacken am Rande
der Egge reißen dann beim weiteren Umwälzen des Körpers die
Watte von den Wunden, schleudern sie in die Grube, und die
Egge hat wieder Arbeit. So schreibt sie immer tiefer die zwölf
Stunden lang. Die ersten sechs Stunden lebt der Verurteilte fast
wie früher, er leidet nur Schmerzen. Nach zwei Stunden wird
der Filz entfernt, denn der Mann hat keine Kraft zum Schrei-
en mehr. Hier in diesen elektrisch geheizten Napf am Kopfende
wird warmer Reisbrei gelegt, aus dem der Mann, wenn er Lust
hat, nehmen kann, was er mit der Zunge erhascht. Keiner ver-
säumt die Gelegenheit. Ich weiß keinen, und meine Erfahrung
ist groß. Erst um die sechste Stunde verliert er das Vergnügen
am Essen. Ich knie dann gewöhnlich hier nieder und beobachte
diese Erscheinung. Der Mann schluckt den letzten Bissen selten,
er dreht ihn nur im Mund und speit ihn in die Grube. Ich muß
mich dann bücken, sonst fährt er mir ins Gesicht. Wie still wird
dann aber der Mann um die sechste Stunde! Verstand geht dem
Blödesten auf. Um die Augen beginnt es. Von hier aus verbreitet
es sich. Ein Anblick, der einen verführen könnte, sich mit unter
die Egge zu legen. Es geschieht ja weiter nichts, der Mann fängt
bloß an, die Schrift zu entziffern, er spitzt den Mund, als hor-
che er. Sie haben gesehen, es ist nicht leicht, die Schrift mit den
Augen zu entziffern; unser Mann entziffert sie aber mit seinen
Wunden. Es ist allerdings viel Arbeit; er braucht sechs Stunden
zu ihrer Vollendung. Dann aber spießt ihn die Egge vollständig
auf und wirft ihn in die Grube, wo er auf das Blutwasser und die
Watte niederklatscht. Dann ist das Gericht zu Ende, und wir, ich
und der Soldat, scharren ihn ein.«
Der Reisende hatte das Ohr zum Offizier geneigt und sah, die
Hände in den Rocktaschen, der Arbeit der Maschine zu. Auch
der Verurteilte sah ihr zu, aber ohne Verständnis. Er bückte sich
ein wenig und verfolgte die schwankenden Nadeln, als ihm der
Soldat, auf ein Zeichen des Offiziers, mit einem Messer hinten
Hemd und Hose durchschnitt, so daß sie von dem Verurteilten
abfielen; er wollte nach dem fallenden Zeug greifen, um seine
Blöße zu bedecken, aber der Soldat hob ihn in die Höhe und
schüttelte die letzten Fetzen von ihm ab. Der Offizier stellte die
Maschine ein, und in der jetzt eintretenden Stille wurde der
Verurteilte unter die Egge gelegt. Die Ketten wurden gelöst und
statt dessen die Riemen befestigt; es schien für den Verurteilten
im ersten Augenblick fast eine Erleichterung zu bedeuten. Und
nun senkte sich die Egge noch ein Stück tiefer, denn es war ein
magerer Mann. Als ihn die Spitzen berührten, ging ein Schauer
über seine Haut; er streckte, während der Soldat mit seiner rech-
ten Hand beschäftigt war, die linke aus, ohne zu wissen wohin;
es war aber die Richtung, wo der Reisende stand. Der Offizier
sah ununterbrochen den Reisenden von der Seite an, als suche er
von seinem Gesicht den Eindruck abzulesen, den die Exekution,
die er ihm nun wenigstens
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