In der Südsee. Zweiter Band
bedrängen, vor den Alten, benebelt sich mit Opium und sitzt der fürchterlichsten Erwartungen voll unter seinen Wachen. Die gleiche Feigheit, die ihm das Messer des Meuchelmörders in die Hand drückte, hat ihm sein Königsszepter entwunden.
Eine Geschichte, die man mir erzählte, sowie ein nebensächliches Ereignis, das ich zufällig selbst beobachtete, werden ihn in diesen beiden Rollen zeigen. In einer leichtsinnigen Stunde fragte ein Häuptling aus Klein-Makin: »Wer ist Kaeia?« Ein Vogel trug den Ausspruch weiter, und Nakaeia übergab die Angelegenheit einem Komitee von drei. Herr Leiche wurde zum Vorsitzenden gewählt; das zweite Mitglied starb vor unserer Ankunft, das dritte dagegen ist auch jetzt nochwohlauf und munter und hat ein so ungemein würdiges Äußere, daß wir es Abu ben Adhem tauften. Diesmal spürte Herr Leiche doch Gewissensbedenken: Der Mann aus Klein-Makin war sein Adoptivbruder, und es zeugte unter diesen Umständen nicht von sonderlich viel Zartgefühl, wenn er überhaupt in der Sache auftrat. Den Streich ausführen zu müssen (was man augenscheinlich von ihm erwartete), war jedoch über die Maßen peinlich. »Ich werde den Streich führen,« erklärte der ehrwürdige Abu, und Herr Leiche ging (zweifellos mit einem Seufzer der Erleichterung) auf das Kompromiß ein. Das Wild wurde also in den Busch gelockt, dort veranlaßte man ihn, einen Baumstamm zu heben, und als er die Arme ausstreckte, schlitzte ihm Abu von unten her den Bauch auf. Nachdem somit das Werk der Gerechtigkeit vollzogen war, wandten sich die Kommissare voll kindischen Entsetzens zur Flucht. »Ihr braucht jetzt nicht fortzulaufen«, erklärte das unglückliche Opfer. »Bleibt bei mir«; und er starb in einigen zwanzig Minuten, während seine Mörder um ihn herumsaßen: eine Szene würdig Shakespeares. Alle Phasen eines gewaltsamen Todes, das Blut, die ersterbende Stimme, die durch den Todeskampf entstellten Züge, die veränderte Gesichtsfarbe – alles ist Herrn Leiche stets gegenwärtig, und seitdem er es an dem von ihm verratenen Bruder studiert hat, hat er selbst einigen Grund, an die Möglichkeit von Verrat zu glauben. Niemals bin ich einer Sache so sicher gewesen, wie der Tragik in den Gedanken Tebureimoas, und doch habe ich ihn nur ein einziges Mal überrumpelt. Ich hatte eine Botschaft an ihn allein auszurichten. Wieder einmalwar es die Stunde der Siesta, doch waren Müßiggänger unterwegs, und diese wiesen uns nach einem geschlossenen Haus an den Ufern des Kanals, wo sich der König unbewacht aufhalten sollte. Da wir Eile hatten, betraten wir es ohne jede Anmeldung, und fanden ihn auf einem Ruhebett von Matten liegend, zerknirscht in die Lektüre seiner Gilbert Island-Bibel vertieft. Bei unserem plötzlichen Eintritt richtete sich der schwere Mann halb auf, so daß die Bibel auf den Boden rollte, starrte uns einen Moment mit weit aufgerissenen Augen an und sank dann, als er seine Besucher erkannt hatte, wieder auf die Matten zurück. So hat Eglon Ehud angesehen.
Es gibt eine seltsame Gerechtigkeit der Tatsachen, die selbst merkwürdig gerecht ist. Nakaeia, der Urheber dieser Taten, starb in Frieden, predigend über die Kunst und List der Könige; sein Werkzeug muß tagtäglich die erzwungene Mitschuld büßen. Nicht die Natur des Handelns, sondern das innere Gleichgewicht zwischen Handeln und Charakter verdammt oder errettet den Menschen; Tebureimoa stand von Anfang an an falscher Stelle. Daheim, in irgendeiner ruhigen Dorfnebenstraße, wäre er ein braver Handwerker geworden, und selbst heute noch ist er trotz seiner ungeheuren Blutschuld nicht bar aller bescheidenen Tugenden. Er hat keinen Landbesitz; er hat nur die Nutznießung von so viel Grund und Boden, als von Pfändungen ausgeschlossen ist; durch das alte probate Mittel des Heiratens kann er sich auch nicht mehr bereichern: Sparsamkeit ist also das sine qua non seiner Zukunft – und er ist sich dessen wohl bewußt und weiß sie zu üben. Elfauswärtige Händler zahlen ihm Lizenzen in Höhe von je hundert Dollar, und einige zweitausend Untertanen müssen ihm eine Kopfsteuer von einem Dollar pro Mann, einem halben Dollar pro Frau und einem Schilling für jedes Kind entrichten. Das macht, den Wechselverlust abgerechnet, rund dreihundert Pfund im Jahr. Neun Monate saß er auf dem Thron, als wir kamen; in der Zeit hatte er seiner Frau ein seidenes Kleid und einen Hut (Kostenpunkt unbekannt) und sich selbst eine Uniform im Werte von dreihundert Dollar gekauft,
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