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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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auf den König. Er war tief bewegt; von jeher, meinte er, hätte er den Eindruck gehabt, daß ich ein Mann von Bedeutung sei, aber daß es so schlimm wäre, hätte er doch nicht gedacht, und dann wurde das Missionshaus bei einer Geldstrafe von fünfzig Dollars unter Tapu gestellt.
    Das war alles, was wir nach der Rückkehr der Deputation erfuhren, und erst nachher entdeckte ich, daßsich wesentlich mehr ereignet hatte. Der uns gewährte Schutz war hochwillkommen. Es war ungemein peinlich und nicht das mindest Aufregende des ganzen Tages gewesen, unser Haus vorübergehend von Eingeborenen erfüllt zu sehen, die, zwanzig und dreißig an der Zahl, um Schnaps bettelten, unsere Sachen betasteten und schwer hinauszuwerfen waren, ja, mit denen wir uns obendrein nicht einmal gut zanken konnten. Der Königin Viktoria Freund (der sehr bald zu ihrem Sohn avancierte) blieb von diesen Belästigungen verschont. Nicht nur unser Haus, nein, unsere ganze Nachbarschaft wurde in Ruhe gelassen; selbst auf unseren Spaziergängen wurden wir behütet und mit Aufmerksamkeiten umgeben, und gleich hochgestellten Persönlichkeiten auf einem Krankenhausbesuch bekamen wir überall nur die Lichtseiten zusehen. Wohl eine Woche lang ließ man uns so in einem Narrenparadies in der trügerischen Annahme umhergehen, daß der König Wort gehalten und das Tapu von neuem verhängt hätte, und daß die Insel wieder nüchtern wäre.
    Dienstag, den 23. Juli. – Wir aßen in einer kahlen Laube zu Abend, die eigens für den vierten Juli errichtet worden war; hier pflegten wir auch im Lampenlicht bei unserem Kaffee und Tabak zu verweilen. In jenen Gegenden kommt der Abend ohne jede unangenehme Kühle; der Wind legt sich noch vor Sonnenuntergang, eine Weile ist der Himmel hell und voller Farben, dann verblaßt er und verdunkelt sich zu der Bläue der tropischen Nacht; rasch und unmerklich verdichten sich die Schatten, die Sterne vervielfältigen ihre Zahl; man blickt sich um – der Tagist hinüber. Dann sahen wir unseren Chinesen durch den Garten in einem schwanken Lichtschimmer, der von seinem Schatten zerrissen wurde, auf uns zukommen, und mit der sich nahenden Lampe senkte sich auch die Nacht auf unseren Tisch. Die Gesichter der Anwesenden, die Stäbe der Laube hoben sich scharf und hell gegen den Hintergrund aus Blau und Silber ab, auf dem wie eine matte Zeichnung die Palmwipfel und die spitzen Dächer der Häuser schimmerten. Hier und dort glänzte ein samtenes Blatt oder die Bruchfläche eines Steines wie vereinzelte kleine Sterne. Alles andere zerfloß in nichts. So schwebten wir, gleich einem leuchtenden Sternbild, im leeren Raum; deutlich sichtbar, aber selber geblendet saßen wir in der dichten, hinterhältigen Finsternis, und die Insulaner, die leichten Schrittes und leise redend auf dem sandigen Weg vorüberzogen, blieben eine Welle stehen, um uns ungesehen zu beobachten.
    Eben hatte man die Lampe auf den Tisch gestellt, als ein Wurfgeschoß mit dumpfem Schlag gegen den Tisch prallte und dann dicht an meinem Ohr vorüberfuhr. Drei Zoll seitwärts, und diese Seiten wären nie geschrieben worden, denn das Ding hatte den Schwung einer Kanonenkugel. Wir nahmen an, daß es eine Kokosnuß war, aber selbst damals schon schien es mir dafür zu klein, und seine Art zu fallen war etwas sonderbar.
    Mittwoch, den 24. Juli. – Wieder einmal war es dämmrig geworden und man hatte die Lampe gebracht, als der gleiche Vorgang sich wiederholte. Wieder sauste das Wurfgeschoß an meinem Ohr vorbei. Eine Nuß hatte ich noch hingenommen; eine zweite weigerte ich mich,stillschweigend zu akzeptieren. Eine Kokosnuß pflegt nicht an windstillen Abenden in einem Winkel von fünfzehn Grad zum Horizont durch die Luft zu schwirren; Kokosnüsse fallen auch nicht an zwei Nächten hintereinander zu genau der gleichen Stunde und am gleichen Ort. In beiden Fällen schien man eine bestimmte Zeit gewählt zu haben: in dem Augenblick, in dem man uns die Lampe brachte, war eine ganz bestimmte Person, nämlich das Oberhaupt der Familie, bedroht worden. Ich mag mich geirrt haben, aber ich hielt das Geschoß für einen Stein, den man geschleudert hatte, nicht um zu treffen, sondern um uns einzuschüchtern.
    Nichts bringt aber einen Menschen mehr auf als dieser Gedanke. Ich lief auf die Straße, wo die Bevölkerung ganz wie gewöhnlich auf ihrer Abendpromenade war; Maka gesellte sich mit einer Laterne zu mir, und ich rannte von einem zum anderen, leuchtete in gänzlich unschuldige

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