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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Revolver zu holen. In Erinnerung an Taahauku hielten Mr. Rick, Mr. Osbourne und meine Frau mitten auf der Landstraße eine Waffenübung ab und begannen unter lebhafter Bewunderung der Eingeborenen auf alte Flaschen zu schießen. Kapitän Reid von der »Aequator« blieb bei uns an Land, um im Notfalle zur Hand zu sein, und wir zogen uns zur gewohntenStunde in angenehmer Erregung über die Tagesereignisse zurück und legten uns schlafen. Die Nacht war köstlich, die Stille zauberhaft; während ich so in meiner Hängematte lag und die schlafenden Palmen im starken Mondlicht betrachtete, verfolgte mich das häßliche Bild der beiden Frauen, die sich nackt und bekleidet in feindlicher Umarmung hielten. Wahrscheinlich hatten sie sich gegenseitig nicht viel Schaden zugefugt, dennoch hätte ich mit minderem Widerwillen Tod und Gemetzel schauen können. Die Rückkehr zu diesen primitiven Waffen, das Bild menschlicher Bestialität, des reißenden Tieres im Menschen, erschütterte mich tiefer als es der Blutpreis einer Schlacht getan hätte. Das alles sind Elemente unseres Staats und der Geschichte, die man mit Freuden vergißt, und bei denen man klugerweise vielleicht am besten gar nicht verweilt. Verbrechen, Pestilenz und Tod gehören zu unserem Tagewerk, und die Einbildungskraft findet sich leicht mit ihnen ab, dagegen weist sie alles zurück, was das Bild unserer Rasse auf ihrer niedrigsten Stufe heraufbeschwört, das Bild des Partners von Tieren, tierisch an sich, im wüsten Wirrwarr hausend, behaarter Mann neben behaarter Frau in den Höhlen der Vorzeit. Und doch dürfen wir, um gegenüber dem barbarischen Insulaner gerecht zu sein, nicht die Verbrecher- und Armenviertel unserer Großstädte vergessen; ich darf nicht vergessen, wie oft ich von irgendeinem Mahle heimkehrend durch Soho nach Hause gegangen bin und Bilder gesehen habe, die mich von meiner Eßlust gründlich kurierten.
Fünftes Kapitel. Die Geschichte eines Tapus – Fortsetzung
    Dienstag, den 16. Juli – Gestern Nacht regnete es, plötzlich und heftig, nach Gilbertinsel-Manier. Noch vor Morgengrauen weckte mich ein Hahnenschrei, und ich wanderte auf unserem Grundstück und in den Straßen umher. Das schlechte Wetter war vorüber, der Mond schien unvergleichlich hell, und doch rauschte die ganze Insel wie bei einem starken Regen. Von den Blättern fielen dicke Tropfen, die hohen Palmen ließen in längeren Zwischenräumen schwere und laute Schauer niederrieseln. In dieser kühnen nächtlichen Beleuchtung lag das Innere der Häuser in undurchdringlicher Finsternis, als einheitlich schwarze Masse, da; nur dort, wo der Mond sich unter die Dächer stahl, schuf er einen silbernen Gürtel und malte die schrägen Schatten der Türpfosten auf den Fußboden. Nirgendwo in der ganzen Stadt sah man Feuerschein oder eine Lampe; weder Mensch, noch Tier rührten sich; ich dachte, ich sei der einzige, der wach wäre, doch die Polizei war pflichttreu auf ihrem Posten, heimlich wachsam zählte sie die Stunden, und kurz danach läutete der Wachmann wiederholt und vernehmlich die Glocke der Kathedrale; es war vier Uhr, das Wecksignal ertönte. Seltsam, daß in dieser Stadt der Trunkenheit und des Aufruhrs Abend- und Morgenläuten erklangen und so ruhig befolgt wurden.
    Der Tag kam und brachte wenig Neues. Der Ort lag immer noch schweigend da; die Bevölkerung schlief, es schlief die Stadt. Selbst die wenigen Menschen, die munter waren, meist Frauen und Kinder, bewahrten das Schweigen und hielten sich in dem tiefen Schatten der Dächer auf, so daß man stehenbleiben und sich bücken mußte, um sie zu sehen. Durch die leeren Straßen, vorbei an den schlafenden Häusern, wand sich in den frühen Morgenstunden eine Deputation auf dem Wege nach dem Palast; der König wurde unsanft aufgeweckt und mußte (wahrscheinlich mit einem Kater) unschmackhafte Wahrheiten anhören. Mrs. Rick diente bei diesem Anlaß als Wortführerin, da sie der schwierigen Sprache mächtig war. Sie setzte dem leidenden Monarchen auseinander, daß ich ein intimer Freund der Königin Viktoria sei, daß ich ihr sogleich nach meiner Rückkehr einen Bericht über Butaritari abstatten würde und daß, falls wiederum die Einheimischen mein Haus belagern sollten, sofort ein Kriegsschiff erscheinen würde, um Repressalien zu ergreifen. Das beruhte ja nun kaum auf Wahrheit, es war nur eine genaue, notwendige Parallele zur Wahrheit, ein wenig nach den Breitengraden zurechtgestutzt, aber sie verfehlte nicht ihre Wirkung

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