In der Südsee
Müller betrachtete mich jetzt nicht mehr als einen Abgesandten seiner Konkurrenten, verzichtete auf die abwehrende Haltung und sprach so, wie es ihm ums Herz war. Ich stellte fest, daß er den Verkauf bereits eingestellt hätte, wenn er es gewagt hätte. Um so mehr war ihm der Gedanke an eine Einmischung von einer Seite zuwider, die ihn nach seinen eigenen Angaben verführt und dann im Stich gelassen hatte; die andern waren jetzt in Sicherheit und wollten ihn zu einer gefährlichen Handlung verleiten, durch die sie alles gewinnen und er alles verlieren konnte. Ich fragte ihn, was er von den Gefahren hielte, die die Zecherei im Gefolge haben könne.
»Schlimmeres als Sie«, antwortete er. »Die ganze Nacht haben sie ringsumher geschossen, und die Kugeleinschläge habe ich auch gehört. Ich sagte zu mir: ›Das ist fatal!‹ Was mich wundert, ist, daß Sie auf IhremEnde der Stadt sich aufregen. Ich wäre der erste, der dran glauben müßte.«
Seine Verwunderung war unüberlegt. Der Trost, der zweite zu sein, ist nicht groß; die Tatsache, nicht die Reihenfolge des Dranglaubenmüssens interessierte uns.
Scott spricht bescheiden davon, daß man dem Augenblick des Kampfes entgegenblicke »mit einem Gefühl, das der Freude ähnelt«. Diese Ähnlichkeit scheint eher eine Übereinstimmung zu sein. Im modernen Leben gibt es keine langsame Fühlungnahme, man wird ungeduldig, wenn sich etwas langsam hinauszögert, und unser Blut ist erregt, wenn wir den Tatsachen gegenüberstehen und sogleich Vorteile erringen können, wir wollen auf die Probe gestellt werden und beweisen, was wir sind. Das traf jedenfalls auf meine Familie zu, die vor Freude zitterte beim Herannahen der Unruhen. Wir saßen bis tief in die Nacht hinein wie eine Schar Schuljungens, putzten die Revolver und spannen Pläne für den morgigen Tag, der ohne Zweifel aufregend und ereignisreich genug sein konnte. Die Altmänner sollten versammelt werden, um mir wegen der Tabufrage gegenübergestellt zu werden, Müller konnte uns jeden Augenblick rufen, um seine Bar zu besetzen, und wenn Müller versagen sollte, so beschlossen wir im Familienrat, wollten wir die Sache selbst in die Hand nehmen, » The Land we live in « vor die Mündung der Pistolen bringen und den vielsprachigen Williams nach unserer Pfeife tanzen lassen. Soweit ich mich unserer Stimmung erinnere, würde es dem Mulatten, glaube ich, nicht gut ergangen sein.
Mittwoch, den 24. Juli. Gut, daß diese Gewitterwolkensich still verzogen, wenn es auch eine Enttäuschung war. Ob die Altmänner die Unterredung mit dem Sohn der Königin Viktoria scheuten, ob Müller heimlich vermittelte, oder ob der Schritt erfolgte, weil der König sich fürchtete und das Fest herannahte: das Tabu war am frühen Morgen wieder verhängt. Keinen einzigen Tag zu früh, denn die Boote begannen in Scharen anzukommen, und die Stadt füllte sich mit den großen wilden Vasallen Karaitis.
Die Folgen hafteten den Händlern noch eine Weile im Gedächtnis. Unter Zustimmung aller Anwesenden verfaßte ich eine Petition an die Regierung der Vereinigten Staaten und erbat ein Gesetz gegen den Alkoholhandel auf den Gilbertinseln. Und auf allgemeines Verlangen fügte ich in meinem eigenen Namen einen kurzen Bericht über die letzten Ereignisse hinzu. Vergebliche Mühe, denn alles ruht wahrscheinlich ungelesen und vielleicht ungeöffnet in irgendeinem dunklen Winkel von Washington.
Sonntag, den 28. Juli. Dieser Tag brachte das Nachspiel zu den Zechereien. Der König und die Königin wohnten in europäischen Kleidern, gefolgt von der bewaffneten Garde, zum erstenmal dem Gottesdienst bei und hockten in zweifelhafter Würdigkeit hoch oben unter dem Faßreifen. Vor der Predigt kletterte Se. Majestät vom Thronsessel herunter, stand in schlaffer Haltung auf dem Kiesboden und schwor in einigen Worten dem Trunk ab. Die Königin folgte ihm mit einer noch kürzeren Formel. Alle Leute in der Kirche wurden darauf persönlich angeredet, jeder hielt die rechte Hand hoch, und die Sache war erledigt: Thron und Kirche waren wieder versöhnt.
Sechstes Kapitel
Das fünftägige Fest
Donnerstag, den 25. Juli. Die Straße war an diesem Tage stark belebt durch die Anwesenheit der Leute von Klein-Makin. Sie sind durchgängig größer als die Leute von Butaritari, waren wegen des Festtages mit gelben Blättern bekränzt und trugen prächtige, grellfarbige Gewänder. Man sagt, daß sie wild und auf diese Auszeichnung stolz sind. Tatsächlich schien es uns, als ob
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