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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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anständig und würdig ist. Ein Händler auf Tarawa, durch starke Konkurrenz erregt, brachte viele Kasten Gin herbei und erzählte mir, daß er nachher Tag und Nacht in seinem Haus gesessen habe, bis alles ausgetrunken sei, denn er habe nicht gewagt, den Verkauf einzustellen oder fortzugehen, weil der ganze Busch ringsumher voll lärmender Trunkenbolde gewesen sei. Besonders in der Nacht, wenn er vor Angst nicht schlafen konnte und überall Schüsse und Rufe in der Dunkelheit hörte, habe er die heftigsten Gewissensbisse gehabt.
    »Mein Gott,« überlegte er sich, »wenn ich meinLeben wegen eines so verruchten Geschäftes verlieren sollte!« Immer wieder haben sich in der Geschichte der Gilbertinseln solche Szenen wiederholt, der reuige Händler saß bei der Lampe, sehnte den Tag herbei, horchte unter Todesangst auf Geräusche, die einen Mord ankündigen konnten, und faßte gute Vorsätze für die Zukunft, denn das Geschäft ist leicht begonnen, aber gefährlich zu enden. Die Eingeborenen sind in ihrer Art gerecht und gesetzestreu, bezahlen ihre Schulden und folgen den Vorschriften ihrer eigenen Sitten. Wenn das Tabu wiederhergestellt ist, hören sie auf zu trinken, aber der Weiße, der sich der Bewegung entgegenstemmen will, indem er den Verkauf von Alkohol verweigert, tut es auf eigene Gefahr.
    Daraus war bis zu einem gewissen Grade die Angst und Hilflosigkeit Mr. Ricks zu erklären. Er und Tom hatten, alarmiert durch die Schlägerei in der Bar Sanssouci, den Verkauf eingestellt, und zwar ohne Gefahr, weil » The Land we live in « noch mit dem Ausschank fortfuhr. Man behauptete außerdem, sie hätten zuerst damit begonnen. Welche Schritte konnten unternommen werden? Konnte Mr. Rick Mr. Müller, mit dem er schlecht stand, aufsuchen und zu ihm sprechen: »Ich hatte einen Vorsprung vor dir, jetzt bist du mir voraus, und ich bitte dich, auf deinen Gewinn zu verzichten. Ich habe meine Schenke in aller Sicherheit geschlossen, weil du noch weiterverkaufst, aber jetzt glaube ich, hast du lange genug damit fortgefahren. Ich werde unruhig, und weil ich Angst habe, bitte ich dich, eine bestimmte Gefahr zu laufen!«? Daran war nicht zu denken. Man mußte irgend etwas anderes ausfindig machen, und nur eine einzige Person am einenEnde der Stadt war wenigstens nicht interessiert am Koprahandel. Sonst war eigentlich wenig zu meinen Gunsten als Abgesandter zu sagen. Ich war im Wightman-Schoner angekommen, ich lebte auf dem Wightman-Grundstück, ich war täglich mit den Wightmanleuten zusammen. Es war unerhört genug, daß ich mich nun unaufgefordert in die Privatangelegenheiten des Crawfordagenten einmischen und ihn drängen wollte, seine Interessen zu opfern und sein Leben aufs Spiel zu setzen. So schlecht der Ausweg war, so gab es doch keinen anderen, und da ich außerdem seit dem Vorfall mit dem Stein begierig war, irgend etwas zu unternehmen, so reizte mich der Gedanke an ein so heikles Gespräch, und ich glaubte, es sei eine gute Taktik, mich draußen zu zeigen.
    Die Nacht war sehr dunkel, in der Kirche war Gottesdienst, und das Gebäude schimmerte aus allen Spalten wie eine düstere schottische Kirche. Ich sah sehr wenig andere Lichter, aber vernahm das undeutliche Geräusch von vielen Menschen, die in der Dunkelheit unterwegs waren, und das dumpfe Murmeln leiser Unterhaltungen, die geheimnisvoll klangen. Ich glaube, daß ich mich oft umwandte, als ich vorwärts schritt. Die Bar Müllers war nur teilweise erleuchtet und ganz ruhig. Die Pforte war verschlossen. Ich konnte den Riegel mit dem besten Willen nicht entfernen: kein Wunder, denn ich stellte nachher fest, daß er vier oder fünf Fuß lang sei wie bei einer Festung. Als ich noch daran zerrte, kam ein Hund aus dem Hause gelaufen und schnappte verdächtig nach meinen Händen, so daß ich gezwungen war zu rufen: »Heda! Ihr Leute im Hause!« Mr. Müller kam herbei und stecktesein Kinn in der Dunkelheit durch die Latten. »Wer ist dort?« fragte er in einem Ton, der Fremde nicht gerade willkommen hieß.
    »Mein Name ist Stevenson«, sagte ich.
    »Oh, Mr. Stevenson, ich habe Sie nicht erkannt, kommen Sie herein.«
    Wir traten in den dunklen Laden, wo ich mich gegen den Tisch lehnte und er sich gegen die Wand. Alles Licht kam aus dem Schlafzimmer, wo die Familie soeben zu Bett gebracht wurde. Es fiel mir gerade ins Gesicht, während Mr. Müller im Schatten stand. Ohne Zweifel erriet er das, was kommen sollte, und suchte sich vorteilhaft zu stellen, aber für einen Mann, der

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