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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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tropischen Regenzeit statt, den wir zusammen auf der Veranda des Klubs verbrachten; wir sprachen manchmal mit erhobenen Stimmen, wenn die Schauer über unseren Köpfen sich verstärkten, manchmal gingen wir in den Billardraum, um in dem matten, verschleierten Tageslicht jene Weltkarte zu befragen, die sein Hauptschmuck ist. Er kannte die englische Geschichte natürlich nicht, so daß ich ihm viel Neues berichten konnte. Ich erzählte ihm ausführlich das Leben Gordons, viele Einzelheiten aus dem Indischen Aufstand, berichtete von Lucknow, der zweiten Schlacht von Cawnpore, der Befreiung von Arrah, dem Tode des armen Spottiswoode und von Sir Hugh Roses abenteuerlichen Feldzügen. Er hörte begierig zu, sein braunes Gesicht, dicht bedeckt mit Pockennarben, leuchtete auf und wechselte den Ausdruck bei jeder Wendung der Geschichte. In seinen Augen glühte das Feuer der Schlachten, er richtete viele und kluge Fragen an mich, und besonders sie führten uns sooft zur Landkarte. Aber die lebendigste Erinnerung bewahre ich von unserem Abschied. Wir wollten am nächsten Morgen absegeln, und die Nacht war schon hereingebrochen, dunkel, stürmisch und regnerisch, als wir den Hügel hinaustasteten, um Stanislao Lebewohl zu sagen. Er hatte uns bereits mit Geschenken beladen, aber viele anderestanden noch bereit. Wir saßen rund um den Tisch bei Zigarren und grünen Kokosnüssen; Windstöße fegten durch das Haus und löschten die Lampe aus, die stets sofort wieder mit einem einzigen Streichholz angezündet wurde; und diese wiederholten Augenblicke der Dunkelheit wurden wie eine Erleichterung empfunden. Denn es lag etwas wie Schmerz und Beklemmung über der Zärtlichkeit dieser Trennung. »Ach!« rief Stanislao aus, »Sie sollten hierbleiben, mein geliebter Freund! Sie gehören zu den Männern, die die Kanaken brauchen, Sie sind lieb, Sie und Ihre Familie, man würde Ihnen auf allen Inseln gehorchen.« Wir waren höflich gewesen, und nicht einmal immer, wie mir mein Gewissen sagte, aber nie darüber hinausgegangen; die Ursache seiner Bewegtheit war also nicht sosehr unsere Rücksichtnahme als vielmehr das schlechte Benehmen anderer. Den Rest des Abends, auf dem Wege zu Vaekehu und zurück bis ganz zum Pier, ließ Stanislao meinen Arm nicht los und schützte mich mit seinem Regenschirm, und als das Boot abgefahren war, konnten wir in der trüben Finsternis noch sein Abschiedswinken sehen. Seine Worte wurden, falls er sprach, vom Regen und von der dröhnenden Brandung verschlungen.
    Ich habe die Geschenke erwähnt: eine verwickelte Frage in der Südsee, deren Behandlung die allgemeine, gewohnheitsmäßige Unwissenheit belegt, mit der Völker in Bausch und Bogen beurteilt werden. An vielen Orten gibt der Polynesier nur, um zu empfangen. Ich habe Inseln besucht, wo mich die Bevölkerung verfolgte wie Hunde, die einem Händler mit Katzenfleisch nachlaufen, und wo die oft gehörte Redewendung:»Du mein Freund!« oder, mit noch mehr Pathos: »Du gleich wie mein Vater!« mit herzhaftem Gelächter und kräftigem Ausruf beantwortet werden muß. Und vielleicht wird überall ein Geschenk von Gierigen und Habsüchtigen als eine Art Wurst angesehen, mit der man nach der Speckseite wirft. Es ist Sitte, Geschenke zu spenden und Gegengaben zu empfangen, und solche Burschen werden, wenn sie die Gebräuche mitmachen, scharf darauf bedacht sein, daß sie keinen Verlust erleiden. Aber bei Personen anderen Schlages liegen die Dinge umgekehrt. Der schäbige Polynesier ruht nicht, bis er die Gegengabe erhalten hat, der edle fühlt sich beklommen, bis er sie geleistet hat. Der erstere ist enttäuscht, wenn man nicht mehr gegeben hat als er; der andere ist niedergeschlagen, wenn er seine Gabe für geringer achtet. Das ist meine Erfahrung; wenn sie der anderer Reisender widerspricht, bedaure ich ihr Geschick und preise das meinige; nichts kann ändern, was ich beobachtet, noch vermindern, was ich empfangen habe. Und ich finde in der Tat, daß alle, die mir widersprechen, von höchst eigenartigen Vorurteilen ausgehen. Sie vergleichen die Polynesier einer Idealfigur, vollgepfropft von Edelmut und Dankbarkeit, der ich nie das Vergnügen hatte zu begegnen, und vergessen, daß ihnen das unermeßlicher Reichtum ist, was uns beinahe Armut scheint. Ich will ein Beispiel anführen: ich sprach zufällig über diese Geschenke Stanislaos mit einem gewissen klugen Mann, einem großen Hasser und Verächter der Kanaken. »Nun, was war es denn!« rief er aus, »ein Paket

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