In der Südsee
hinaufkletternd über Steinblöckeund abgestorbene Bäume, aber der Junge wand sich ein und aus, hinauf und hinunter, ohne Zögern, denn diese Wege sind für die Eingeborenen so gut zu erkennen wie für uns eine königliche Heerstraße, so daß man sie in den Zeiten der Menschenjagden sogar zu verrammeln oder unkenntlich zu machen versuchte, anstatt sie zu verbessern. In der Höhle des Waldes war die Luft feucht und heiß und kalt, zu unseren Häupten rauschte der Tropenregen brausend auf die Blätter nieder, aber nur hier und da fiel wie durch Löcher eines lecken Daches ein einzelner Tropfen herab und machte einen Fleck auf meinen Regenmantel. Nach einer Weile stand der gewaltige Stamm eines Banyan vor uns, er schien zwischen den Ruinen eines uralten Forts zu wurzeln, und unser Führer hielt an, streckte den Arm aus und verkündete, daß wir beim » paepae tapu « angelangt seien.
Paepae bezeichnet einen Fußboden oder eine Plattform, auf der ein Eingeborenenhaus errichtet wird, und selbst solch ein Paepae, ein » paepae hae «, kann in einem gewissen Sinne als tabu bezeichnet werden, wenn es verlassen und von Geistern bewohnt ist. Aber der öffentliche Hochsitz, den ich jetzt betrat, war eine außerordentlich wichtige Stätte. Soweit mein Auge das dichte Unterholz durchdringen konnte, war der Boden des Waldes gepflastert. Drei Terrassenstufen liefen am Abhang des Hügels entlang; davor umschloß eine abbröckelnde Rampe die Hauptarena, deren Bodenbelag an verschiedenen Stellen von Brunnenlöchern durchbohrt und von kleinen Gehegen unterbrochen war. Vom Oberbau war keine Spur mehr erhalten, der Bauplan des Amphitheaters war schwer zu erkennen. Ich besuchteeinen anderen Hochsitz auf Hiva-oa, kleiner aber vollkommener, wo man deutlich Sitzreihen und isolierte Ehrenplätze für hervorragende Persönlichkeiten wahrnehmen konnte, und wo auf der oberen Plattform ein einzelner Gerüstbalken des Tempels oder Totenhauses stehengeblieben war, dessen Pfeiler reich geschnitzt waren. In alten Zeiten wurde der Hochsitz sorgfältig gepflegt. Kein Baum außer dem heiligen Banyan durfte auf seinen Stufen wuchern, kein welkes Blatt auf dem Bodenbelag verfaulen. Die Steine waren sorgsam gelegt, und man erzählte mir, daß man ihnen durch Öl Glanz verlieh. Auf allen Seiten waren Wächter in Schutzhütten untergebracht, um den Platz zu behüten und zu reinigen. Der Fuß keines anderen Menschen durfte sich ihm nähern, nur der Priester kam in den Zeiten der Läufe zum Schlafe dorthin und träumte vielleicht von seiner gottlosen Sendung. Aber zur Zeit des Festes erschien der ganze Stamm geschlossen auf dem Hochsitz, jeder einzelne hatte seinen bestimmten Platz. Es gab Sitze für die Häuptlinge, den Trommler, die Tänzer, die Frauen und die Priester. Die Trommeln, etwa zwanzig an der Zahl, manche zwölf Fuß hoch, erdröhnten unaufhörlich im Takt. Im Takt ließen die Sänger ihren langgezogenen, finsteren, heulenden Gesang ertönen, im Takt schritten und sprangen auch die Tänzer einher, wunderbar zierlich, herausgeputzt, sie schwärmten gestikulierend umher und ließen ihre federgeschmückten Finger wie Schmetterlinge durch die Luft flattern. Die Empfindung für den Rhythmus ist bei allen ozeanischen Völkern außerordentlich stark ausgeprägt, und mir scheint, als ob bei solchen Festen jeder Ton und jede Bewegung in eins verschmolz. Umso einheitlicher mußte die Erregung der Festteilnehmer wachsen, und um so wilder mußte die Szene jedem Europäer erscheinen, der sie dort in greller Sonne und im tiefsten Schatten der Banyanen beobachtet hätte: eingerieben mit Saffran, um die Arabesken der Tätowierung höher hervortreten zu lassen, die Frauen in tagelanger Zurückgezogenheit zu beinahe europäischer Hautfarbe gebleicht, die Häuptlinge gekrönt mit silbernen Federn aus Barthaaren alter Männer und gegürtet mit Haarsträngen toter Frauen. Inselgerichte aller Art wurden inzwischen für die Frauen und Männer aus dem Volke aufgetragen; und für diejenigen, die das Vorrecht hatten, davon zu essen, wurden Körbe mit »Langschwein« zum Totenhaus geschleppt. Man erzählt, daß sich die Feste lange ausdehnten, das Volk kehrte erschöpft von den tierischen Ausschweifungen heim, die Häuptlinge gestopft voll von ihrer bestialischen Speise. Gewisse Gefühle nennen wir ausdrücklich menschlich, und wir verweigern denen, die ihrer entraten, diese ehrenvolle Bezeichnung. Bei solchen Festen –, besonders wenn das Opfer in der eigenen Heimat
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