Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
Stock nur festhalten und den Künstler bitten, mir zur Gendarmerie zu folgen, wo ich Dolmetscher und Geld vorfinden würde, aber wir schenkten ihm inzwischen für sein Sandelholz eine Bootspfeife als Gegengabe. Als er hinter uns das Tal hinabstieg, ließ er sie ununterbrochen ertönen. Und fortwährend strömten aus den Häusern am Wege kleine Gruppen von Mädchen in Rot und Männer in Weiß heraus. Und ihnen mußte Poni erzählen, wer die Fremdlinge seien, was sie getan hätten, warum Poni eine Bootspfeife habe, und warum er nun zur Vizeresidentschaft geführt werde, ungewiß, ob zur Bestrafung oder Belohnung, ungewiß, ob er einen Stock verloren oder ein Geschäft gemacht habe, aber im ganzen hoffnungsvoll und inzwischen hocherfreut über die Bootspfeife. Darauf riß er sich von dieser einen Gruppe Neugieriger los, und wir hörten von neuem den schrillen Ruf hinter uns ertönen.
    27. August. Ich unternahm mit Bruder Michel einen ausgedehnten Rundgang im Tal. Wir bestiegenzwei ruhige Gäule, geeignet für diese rauhen Pfade, das Wetter war prächtig und die Gesellschaft, in der ich mich befand, nicht weniger angenehm als die Landschaft, die an mir vorüberzog. Wir kletterten zunächst einen steilen Grat hinauf bis zum Gipfel eines jener gewundenen Felsvorsprünge, die aus der Entfernung gesehen die sonnigen und schattigen Partien der Gebirgsabhänge abgrenzen. Das Gestein fiel nach beiden Seiten äußerst schroff ab. Von beiden Seiten stieg aus tiefen Schlünden der Gesang von Wasserfällen und der Rauch von Herdfeuern auf. Hier und dort teilten sich die Laubhügel, und unser Auge fiel auf eine jener tief eingenisteten Behausungen. Und hoch oben erhob sich die schroffe Gebirgswand, von Grün bedeckt, wo anscheinend kaum eine Glockenblume Nahrung fand, und bezwungen von gewundenen Menschenpfaden, wo eine Ziege kaum Fuß fassen zu können schien. Auf der Rückwand wird der Pfad, trotz aller Arbeit, die er gekostet hat, selbst von den Marquesanern als unwegbar angesehen, sie wünschen ihre Pferde beim Aufstieg nicht in Gefahr zu bringen, und die im Westen wohnenden Leute kommen und scheiden in ihren Kanus. Ich habe nie einen Berg gesehen, der sowenig verlor bei dichter Annäherung, eine Folge seiner erstaunlichen Steilheit, wie ich vermute. Als wir uns umdrehten, war ich über die Tiefe des Ausblicks hinter uns erstaunt und über den hohen Rücken der blauen See, gekrönt von der walfischähnlichen Insel Motane. Und doch war die Bergwand über uns nicht ersichtlich niedriger geworden, und ich hätte mir einbilden können, als ich die Augen hob, sie zu messen, daß sie noch höher hinaufragte als zuvor.
    Wir drangen nun ein in verdeckte Wege, überschritten die Sturzbäche, hörten das Rauschen aus unmittelbarer Nähe und kosteten die Kühle der Nischen, in denen die Häuser standen. Die Vögel sangen ringsum, während wir hinunterstiegen. Überall am Wege wurde mein Führer begrüßt mit dem Ruf: »Mikael Kaoha, Mikael!« Aus Türen, Baumwollfeldern oder den tiefen Hainen der Inselkastanien drangen diese freundlichen Rufe und wurden im Vorübergehen herzlich erwidert. An einem scharfen Knick des Tales, bei einem rauschenden Bach und unter kühlem Laubgehänge, trafen wir ein Haus auf gut gebautem Paepae, das Feuer brannte flackernd unter dem Popoidach und kochte das Nachtmahl. Hier wurden die Rufe zum Chor, die Hausbewohner liefen herbei und zwangen uns abzusitzen und auszuruhen. Es schien eine zahlreiche Familie zu sein, wir sahen wenigstens acht Personen, von denen mich die eine mit einer besonderen Aufmerksamkeit bedachte. Es war die Mutter, eine bis zum Gürtel nackte Frau, schon gebeugt, aber mit reichlichem schwarzen Haar und aufrechten, jugendlichen Brüsten. Bei unserer Ankunft merkte ich, wie sie mich beobachtete, aber anstatt mir irgendeinen Gruß darzubieten, verschwand sie sofort im Busch. Bald darauf kam sie mit zwei roten Blumen zurück. » Good bye !« lautete ihre Begrüßung, die sie nicht ohne Koketterie aussprach, und als sie es sagte, drückte sie die Blumen in meine Hand: » Good bye ! Ich sprechen Englisch!« Von einem Walfischfänger, der, wie sie mich unterrichtete, ein »viel guter Junge« war, hatte sie meine Sprache erlernt, und ich konnte mir vorstellen, wie hübsch sie in jener Zeit der Jugend gewesen, und erriet, daß allerlei Erinnerungenan den schmucken Walfischjäger ihre Aufmerksamkeiten mir gegenüber veranlaßten. Auch darüber mußte ich nachdenken, was wohl aus ihrem Geliebten

Weitere Kostenlose Bücher