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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Österreicher erwähnt. Er fuhr auf einem von zwei Schwesterschiffen, die die Clyde mit Kohlenladungen verließen. Beide umsegelten Kap Horn und gerieten mehrere hundert Meilen voneinander entfernt, aber fast zu gleicher Zeit, auf hoher See im Pazifischen Ozean in Brand. Eins ging unter; der verlassene Eisenrumpf des anderen wurde nach langem vergeblichen Suchen endlich gefunden, wieder instand gesetzt und fährt heute von San Franzisko aus. Die Insassen eines Bootes dieser Unglücksschiffe erreichtennach Ertragung großer Strapazen die Insel Hiva-oa. Einige dieser Männer schwuren, sie würden nie wieder das Glück des Meeres erproben, aber nur der Österreicher war seinem Eide ganz treu, er bleibt, wo er landete, und hat beschlossen zu sterben, wo er gelebt hat. Gerät ein solcher Mann unter die Insulaner und faßt dort Fuß, so kann man den beschriebenen Vorgang dem Pfropfen eines Gärtners vergleichen. Er geht körperlich in das Geschlecht der Eingeborenen über, hört völlig auf, ein Fremdling zu sein, er ist in die Blutsgemeinschaft eingegangen, teilt Besitz und Ruf seiner neuen Familie, und man erwartet von ihm, daß er die Früchte seines europäischen Berufes und seine Kenntnisse ebenso bereitwillig zur Verfügung stellt. Diese stillschweigende Verpflichtung stößt den hierher verpflanzten Weißen oft ab. Um einen augenblicklichen Vorteil zu erhaschen, zum Beispiel eine Station für sein Warenlager, macht er sich die einheimischen Gebräuche zunutze und wird Sohn oder Bruder auf Zeit, indem er sich selbst zuschwört, die Leiter fortzustoßen, auf der er emporsteigen will, und die Verwandtschaft zu verleugnen, sobald sie ihm lästig wird. Und plötzlich entdeckt er, daß zwei Parteien zu diesem Geschäft gehören. Vielleicht ist sein polynesischer Verwandter einfältig und faßte die Blutsbrüderschaft wörtlich auf; oder er ist verschlagen und schloß den Pakt um des eigenen Gewinnes wegen. In beiden Fällen wird das Warenlager geplündert, das Haus wimmelt von eingeborenen Tagedieben, und je reicher der Mann wird, desto zahlreicher, fauler und zärtlicher werden seine farbigen Verwandten. Die meisten Leute versuchen sich unter diesen Umständen loszukaufen oder die Unabhängigkeit brutalzu erzwingen, aber viele vegetieren hoffnungslos dahin, erdrosselt von Parasiten.
    Wir hatten keine Ursache, mit Bruder Michel zu erröten. Unsere neuen Eltern waren liebenswürdig, höflich, gutgesittet und freigebig mit Geschenken, die Frau war ein höchst mütterliches Weib, der Gatte ein Mann, der bei seinen Vorgesetzten gerechterweise in hohem Ansehen stand. Zur Genüge wurde schon bewiesen, daß Moipu abgesetzt werden mußte, und in Paaaeua hatten die Franzosen einen achtenswerten Ersatz gefunden. Er war stets peinlich sauber gekleidet und sah aus wie die personifizierte Ehrbarkeit, wie ein schwarzer, hübscher, dummer und wahrscheinlich frommer junger Mann, der von einem europäischen Leichenbegängnis heimkehrt. Im Charakter schien er das Ideal des guten Staatsbürgers zu sein. Er trug seine Ernsthaftigkeit wie einen Schmuck. Niemand hätte die Würde eines von Amts wegen eingesetzten Häuptlings besser zur Schau getragen, als Vorbild der Zivilisation und Reform. Und doch: zögen die Franzosen ab, und lebten die Eingeborenensitten wieder auf, so könnte man sich in der Phantasie ausmalen, wie er sich mit Greisenbärten geschmückt unter den allerersten zum Kannibalenmahl drängen würde. Aber ich will nicht den Anschein erwecken, als sei ich ungerecht gegen Paaaeua. Seine Ehrbarkeit ging tiefer als die Haut, sein Sinn für Schicklichkeit trieb ihn manchmal zu überraschender Härte.
    Eines Abends waren Kapitän Otis und Mr. Osbourne an Land im Dorf. Alles war in Bewegung, der Tanz hatte begonnen, offenbar sollte eine Festnacht folgen, und unsere Abenteurer waren voll Freude überihr Glück. Ein starker Regenschauer trieb sie schutzsuchend ins Haus von Paaaeua, wo man sie willkommen hieß, in eine Kammer lockte und einschloß. Bald darauf hörte der Regen auf, das Fest sollte in allem Ernst beginnen, und die jungen Leute von Atuona liefen um das Haus und riefen durch die Spalten der Wände nach meinen Freunden. Bis spät in die Nacht hinein wurden die Rufe fortgesetzt und wiederholt und oft mit Sticheleien gewürzt; bis spät in die Nacht hinein erneuerten die Gefangenen, vom Lärm des Festes gereizt, ihre Anstrengungen, zu entkommen. Aber alles war vergeblich, quer vor der Türe lag der gottesfürchtige Hausherr,

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