In die Wildnis
soll, doch mal mit ihr spazierenzugehen. Alex war nett zu ihr, nur war sie halt zu jung für ihn. Er konnte sie einfach nicht ganz für voll nehmen. Das arme Ding hat wegen ihm bestimmt 'ne Woche lang Liebeskummer gehabt.«
Auch wenn McCandless Tracys Annäherungsversuche zurückwies, so war er deshalb doch kein Einsiedler, wie Burres klarstellt: »Er hat jede Menge Spaß gehabt, wenn er unter Leuten war, jede Menge. Auf dem Tauschmarkt hat er geredet und geredet und geredet, egal, wer gerade vorbeikam. Er muß in Niland an die hundert Leute kennengelernt haben, mit denen er sich gut verstand. Ab und zu wollte er allein sein, klar, aber ein Eremit war er wirklich nicht. War richtig gern unter Leuten. Manchmal denk ich mir, daß er die Leute regelrecht gehamstert hat, weil er ganz genau wußte, da kommen Zeiten, wo er sich einsam fühlen wird.«
McCandless war Burres gegenüber besonders aufmerksam. Bei jeder Gelegenheit hat er mit ihr geflirtet und sie geneckt. »Er hat einen Heidenspaß dran gehabt, mich zu ärgern oder mit irgendwelchen Scherzen auf zuziehen«, erinnert sie sich. »Ich geh hintern Wohnwagen, um die Wäsche aufzuhängen, und er klemmt mir überall Wäscheklammern an. Er war verspielt wie ein kleines Kind. Unser Hund hatte gerade Junge gehabt, und er hat sie ständig unter die Wäschekörbe gesteckt und zugeschaut, wie sie rumgetollt sind und zu jaulen angefangen haben. Erst als ich's nicht mehr ausgehalten hab und ihn angeschrien hab, er soll aufhören, hat er aufgehört. Aber in Wirklichkeit ging er toll mit den Hunden um. Die Kleinen sind ihm auf Schritt und Tritt gefolgt, haben gejault, wenn er wegging, und wollten immer bei ihm schlafen. Alex hatte ein Händchen für Tiere.«
Als McCandless eines Nachmittags wieder einmal den Büchertisch auf dem Tauschmarkt in Niland hütete, gab irgend jemand bei Burres eine elektronische Orgel in Kommission. »Alex hat sie sich sofort geschnappt und den ganzen Tag gespielt und die Leute unterhalten«, erzählt sie. »Er hat eine irre Stimme gehabt. Hat richtig Publikumszulauf bekommen. Vorher hab ich ja gar nicht gewußt, daß er so musikalisch begabt ist.«
McCandless sprach mit den Bewohnern der Slabs oft über seine Alaska - Pläne. Um sich auf die Härten der Tundra vorzubereiten, absolvierte er jeden Morgen ein isometrisches Muskeltraining, und mit Bob, einem selbsternannten Survival - Spezialisten, diskutierte er stundenlang Überlebensstrategien für die Wildnis.
»Ich für meinen Teil«, sagt Burres, »hab jedenfalls gedacht, Alex tickt nicht mehr ganz richtig, als er uns von seiner ›großen Alaska - Odyssee‹, wie er's immer genannt hat, erzählt hat. Aber er hat sich total drauf gefreut. Der Trip war sein Thema.«
Über seine Familie gab McCandless rein gar nichts preis, trotz Burres hartnäckiger Fragen. »Ich hab ihn immer wieder gefragt«, erzählt Burres: »›Hast du deiner Familie gesagt, was du vorhast? Weiß deine Mutter, daß du nach Alaska gehst? Weiß dein Vater davon?‹ Aber er hat nie drauf geantwortet. Hat genervt mit den Augen gerollt, eine säuerliche Miene aufgesetzt und bloß gesagt, daß ich endlich aufhören soll, ihn so zu bemuttern. Und Bob sagt dann auch noch: ›Laß ihn in Ruhe! Er ist erwachsen !‹ Ich hab ihn aber weiter damit genervt, bis er das Thema gewechselt hat - wegen allem was zwischen mir und meinem Sohn passiert ist. Er ist irgendwo da draußen, und ich möchte, daß jemand sich genauso um ihn kümmert, wie ich es bei Alex versucht hab.«
Am Sonntag, bevor McCandless Niland verließ, sah er sich in Burres Wohnwagen ein Ausscheidungsspiel der Footballiga an. Ihr fiel auf, daß er zu den Washington Redskins hielt. »Also hab ich ihn gefragt, ob er aus der Gegend von Washington kommt«, erzählte sie. »Und er hat geantwortet, ›Ja, stimmt sogar.‹ Das war das einzige, was er uns jemals über seine Herkunft verraten hat.«
Am Mittwoch darauf erklärte McCandless, daß es für ihn Zeit werde, weiterzuziehen. Vorher müsse er aber noch zur Post nach Salton City, fünfzig Meilen westlich von Niland. Er hatte den Manager der McDonald's - Filiale in Bullhead gebeten, seinen letzten noch ausstehenden Lohnscheck dorthin zu schicken. Burres meinte, daß sie ihn fahren könne, und er war einverstanden. Als sie aber versuchte, ihm für seine Unterstützung beim Tauschmarkt ein wenig Geld zu geben, »hat er fast beleidigt reagiert. Ich sag ihm: ›Mann, zum Leben braucht man Geld‹, doch er hat's nicht
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