In die Wildnis
genommen. Aber wenigstens hab ich ihn dazu überredet, Messer mitzunehmen, ein paar Schweizer Armeemesser und einige Gürtelmesser. Ich hab ihm gesagt, daß er sie in Alaska gut gebrauchen kann, und wenn nicht, dann könnte er sie ja unterwegs verkaufen oder gegen was anderes tauschen, und schließlich hat er mir geglaubt.«
Nach langem Hin und Her konnte Burres McCandless ebenfalls davon überzeugen, ein paar langärmelige Unterhemden, lange Unterhosen und diverse andere Wintersachen anzunehmen, die er ihrer Meinung nach in Alaska gut gebrauchen konnte. »Er hat sie schließlich genommen, damit ich endlich still bin«, erzählt sie lachend, »aber als er weg war, hab ich das meiste davon einen Tag später im Wagen gefunden. Er muß sie irgendwann, als wir grad mal nicht geguckt haben, aus seinem Rucksack gepackt und unterm Sitz versteckt haben. Alex war'n phantastischer Kerl, aber manchmal konnte er einen wirklich zur Verzweiflung bringen.«
Obwohl Burres sich um Alex Sorgen machte, ging sie davon aus, daß er alles heil überstehen werde. »Ich hab gedacht, er wird's schon irgendwie schaffen«, sagt sie nachdenklich. »Klug genug war er ja. Er war mit dem Kanu nach Mexiko gepaddelt, hat sich beigebracht, wie man auf Güterzüge springt, wie man in den Städten überlebt, sich in den Heimen ein Bett besorgt. All das hat er sich selbst beigebracht, und ich war sicher, daß er Alaska auch noch packen würde.«
Anza - Borrego
KAPITEL SECHS
Noch niemand ward von seinem Genius in die Irre geführt. Mag das Ergebnis auch körperliche Schwäche sein, so kann doch vielleicht niemand sagen, daß die Folgen zu bedauern seien, denn dieses Leben war höheren Grundsätzen gemäß. Wenn uns Tag und Nacht so erscheinen, daß wir sie mit Freude begrüßen, wenn das Leben einen Duft ausströmt wie Blumen und würzige Krauter, wenn es spannkräftiger, sternenreicher und mehr unsterblich wird - dann ist dies unser Erfolg. Die ganze Natur beglückwünscht uns, und wir haben Grund, uns einen Augenblick lang selig zu preisen. Die reichsten Gewinnste, die höchsten Werte werden am seitesten geschätzt. Wir kommen nur zu leicht dahin, an ihrem Dasein zu zweifeln. Wir vergessen sie bald. Und doch sind sie höchste Wirklichkeit... Die wahre Ernte meines täglichen Lebens ist etwas so Unfaßbares, Unbeschreibliches wie Himmelsfarben am Morgen und Abend. Ein wenig Sternenstaub, ein Stückchen Regenbogen - das ist alles.
HENRY DAVID THOREAU
»WALDEN. EIN LEBEN IN DEN WÄLDERN«
Von Chris McCandless angestrichener Passus aus
einem der mit der Leiche geborgenen Bücher.
Am 4. Januar 1993 erhielt der Verfasser dieses Buches einen merkwürdigen Brief. Die Handschrift war zittrig und altmodisch, was auf einen älteren Absender schließen ließ.
Bitte schicken Sie mir eine Ausgabe Ihrer Zeitschrift mit dem Artikel über den jungen Mann (Alex McCandless), der in Alaska umgekommen ist. Ich möchte demjenigen, der den Vorfall recherchierte, gerne etwas dazu schreiben. Ich habe den Jungen ... im März 1992 ... von Salton City, Kalif., nach Grand Junction, Col., gefahren... Dort ließ ich ihn raus. Er wollte nach South Dakota weitertrampen. Beim Abschied versprachen wir uns, in Verbindung zu bleiben. Den letzten Brief von ihm bekam ich Anfang April 1992. Während unserer gemeinsamen Fahrt machten wir viele Aufnahmen, ich mit dem Camcorder + Alex mit seinem Fotoapparat.
Falls Sie noch ein Heft jener Ausgabe haben, teilen Sie mir bitte die Kosten dafür mit...
Wie ich hörte, ist ihm was zugestoßen. Falls dies zutrifft, würde ich gerne wissen, wie es passiert ist, denn er hat in seinem Rucksack immer ausreichend Reis, winterfeste Kleidung + genügend Geld dabeigehabt.
Mit freundlichen Grüßen
Ronald A. Franz
Ich darf Sie bitten, diesen Brief vorläufig vertraulich zu behandeln, bis ich die genaueren Umstände seines Todes kenne, denn er war mehr als nur ein gewöhnlicher Vagabund. Bitte glauben Sie mir.
Die Zeitschrift, um die Franz bat, war die Ausgabe von Outside vom Januar 1993, in der eine Titelgeschichte über den Tod von Chris McCandless erschienen war. Sein Brief war an die Geschäftsstelle von Outside in Chicago adressiert. Da ich die McCandless - Geschichte geschrieben habe, war er an mich weitergeleitet worden.
McCandless hinterließ im Laufe seiner Hedschra bei einer ganzen Reihe von Leuten einen bleibenden Eindruck. Die meisten hatten nur ein paar Tage oder höchstens ein, zwei Wochen mit ihm
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