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In die Wildnis

In die Wildnis

Titel: In die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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vor.
    Seine anfängliche Begeisterung währte nicht lange, und als er die unteren Ausläufer des Ruth - Gletschers erreichte, gut dreißig Meilen vom Gipfel entfernt, brach er das Unternehmen ab und zog sich nach Talkeetna zurück. Im März jedoch raffte er sich wieder auf und trat seinen einsamen Marsch von neuem an. Als er aufbrach, sagte er zum Piloten Cliff Hudson, den er als einen Freund betrachtete: »Wir werden uns nicht wiedersehen.«
    Der März in der Alaska Range war außergewöhnlich kalt. Gegen Ende des Monats traf er zufällig Mugs Stump.
    Die Begegnung fand auf dem oberen Abschnitt des Ruth-Gletschers statt. Stump, ein Alpinist von internationalem Ruf, der 1992 auf dem Denali sein Leben ließ, hatte gerade den Mooses Tooth - einen der umliegenden Berge - auf einer neuen, schwierigen Route bestiegen. Kurz nach der zufälligen Begegnung mit Waterman besuchte Stump mich in Seattle und meinte, daß »John nicht ganz beieinander zu sein schien. Er hat sich ganz komisch verhalten und jede Menge wirres Zeug geredet. Angeblich stand nun diese große Winterbesteigung des Denali an, aber er hatte so gut wie keine Ausrüstung bei sich, nur einen billigen, einteiligen Schneemobilanzug. Nicht einmal einen Schlafsack hatte er dabei. Und was die Verpflegung anging, hatte er bloß eine Packung Mehl, etwas Zucker und eine große Dose Crisco mit.«
    In seinem Buch » Breaking Point« schreibt Glenn Randall: Waterman hielt sich mehrere Wochen in der Nähe der Sheldon-Gebirgshütte auf, einer kleinen Blockhütte am Rande des Ruth-Gletschers, mitten in der Alaska Range. Kate Bull, eine Freundin von Waterman, die damals ebenfalls eine Besteigung in der Gegend unternahm, berichtet, daß er ausgezehrt wirkte und nicht so vorsichtig wie sonst vorgegangen sei. Als er sich von Cliff [Hudson] Nachschub einfliegen ließ, gab er ihm das Gerät zurück, das er sich von ihm geliehen hatte.
    »Ich brauch's nicht mehr«, sagte er. Das Gerät war seine einzige Möglichkeit, Hilfe herbeizurufen.
    Waterman war allem Anschein nach zuletzt auf der Northwest Fork des Ruth - Gletschers unterwegs. Anhand von Fußspuren ließ sich rekapitulieren, daß er in Richtung der vorspringenden Ostwand des Denali marschiert war, geradewegs durch ein gigantisches Gletscherspaltenlabyrinth. Demnach machte er sich also nicht einmal mehr die Mühe, offensichtliche Gefahrenstellen zu umgehen. Er wurde nie mehr gesehen. Es wird angenommen, daß er sich auf eine zu schwache Schneebrücke gewagt hatte und in eine der Gletscherspalten gestürzt ist. Nach seinem Verschwinden suchte ein Rettungsteam der Forstbehörden eine Woche lang aus der Luft seine geplante Route ab, jedoch vergeblich. Etwas später entdeckten ein paar Bergsteiger in der Sheldon - Gebirgshütte auf einer Kiste mit seiner Ausrüstung eine Notiz von ihm. »13.3.82« stand dort geschrieben. »Mein letzter Kuß 13 Uhr 42.«
    Es ist kaum verwunderlich, daß zwischen John Watermann und Chris McCandless immer wieder Vergleiche gezogen werden. Ähnlichkeiten drängen sich auch zwischen McCandless und Carl McCunn auf, einem freundlichen, ein wenig zerstreuten Texaner, der während des Ölbooms in den siebziger Jahren nach Fairbanks zog und einen lukrativen Job beim Bau der Transalaska - Pipeline annahm. Anfang März '81, als Waterman gerade zu seiner letzten Reise aufbrach, ließ sich McCunn von einem Buschpiloten zu einem abgelegenen See in der Nähe des Coleen River fliegen, der ungefähr fünfundsiebzig Meilen nordwestlich von Fort Yukon am Südrand der Brooks Range liegt.
    McCunn, ein fünfunddreißigjähriger Amateurfotograf, hatte gegenüber Freunden erklärt, daß er vor allem Tierfotos machen wolle. Er hatte fünfhundert Rollen Film, ein .22er und ein .30 - .30er Gewehr dabei, des weiteren eine Schrotflinte und rund siebenhundert Kilo Verpflegung. Geplant war ein Aufenthalt bis Ende August. Irgendwie versäumte er es jedoch, dem Piloten klarzumachen, daß er am Ende des Sommers wieder in die Zivilisation zurückgeflogen werden müsse. Eine Zerstreutheit, die McCunn das Leben kostete.
    Mark Stoppel, ein junger Fairbanker, der mit McCunn neun Monate auf der Pipeline - Baustelle gearbeitet hatte, zeigte sich von diesem erstaunlichen Versäumnis wenig überrascht. Er hatte den schlaksigen Texaner in den neun Monaten vor dessen Trip in die Brooks Range recht gut kennengelernt.
    »Carl war ein patenter Kerl. Er war sehr nett und allseits beliebt«, erinnert Stoppel sich. »Und er schien auch echt was

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