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In die Wildnis

In die Wildnis

Titel: In die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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eiskalten Nächte warmzuhalten. »Mittlerweile wird ja wohl irgend jemand zu Hause gemerkt haben, daß etwas nicht stimmt, daß ich immer noch nicht zurück bin«, schrieb er. Aber noch immer tauchte kein Flugzeug auf.
    »Das ist typisch Carl, anzunehmen, daß jemand wie durch Zauber auftaucht und ihn rettet«, meint Stoppel.
    »Er war Fahrer - Lastwagenfahrer - , das heißt, er hatte sehr viel Leerlauf, wo nichts passierte und er bloß in seinem Brummi rumgesessen ist und mit offenen Augen geträumt hat. So ist er auch auf die Idee mit dem Trip in die Brooks Range gekommen. Für ihn war es ein todernstes Unternehmen: er hat mehr als ein halbes Jahr drüber nachgedacht, geplant und hin und her überlegt. In den Mittagspausen haben wir uns darüber unterhalten, was er an Ausrüstung mitnehmen soll. Er hat zwar alles haarklein vorbereitet, aber andererseits gab er sich auch den verrücktesten Träumereien hin.
    Zum Beispiel«, fährt Stoppel fort, »wollte Carl nicht allein in die Wildnis gehen. Sein großer Traum war ursprünglich, mit irgendeiner Schönheit in der Einsamkeit der Natur zu leben. Von den Mädchen, die mit uns gearbeitet haben, hatte er mehr als nur eine im Auge und er hat richtig viel Zeit und Energie darauf verwendet, Sue oder Barbara oder wen auch immer dazu zu überreden, mitzukommen - was an sich schon reines Wunschdenken war. In der Hinsicht lief nämlich bei uns rein gar nichts. Ich meine, in dem Pipeline - Camp, in dem wir waren, Pumpstation 7, kam auf ungefähr vierzig Männer eine Frau. Aber Carl war eben ein Träumer, und bis zum Schluß hat er gehofft und gehofft, daß eins der Mädchen sich's anders überlegt und doch noch mitkommt.
    Genauso«, erklärt Stoppel, »war Carl der Typ, der so unrealistisch ist und denkt, daß jemand schon merken wird, Carl ist in Schwierigkeiten und man muß ihn da rausholen. Wahrscheinlich hat er sogar noch geglaubt, als er schon am Verhungern war, daß Big Sue im letzten Moment vorbeigeflogen kommt, das Flugzeug randvoll mit Fressalien, und endlich diese heiße Romanze mit ihm hat. Seine Phantasiewelt war so was von abgedreht, daß die Leute einfach nichts damit anfangen konnten. Carl ist einfach nur immer hungriger geworden. Als es ihm endlich dämmerte, daß niemand kommen wird, um ihn zu retten, war er bereits zu geschwächt, um sich selbst zu retten.«
    Als McCunns Verpflegungsvorräte so gut wie aufgebraucht waren, schrieb er ins Tagebuch: »Ich fange an, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Um die Wahrheit zu sagen, langsam krieg ich's mit der Angst zu tun.« Das Thermometer war auf minus zwanzig Grad Celsius gefallen. An Fingern und Zehen bildeten sich schmerzhafte, eitrige Frostbeulen.
    Im November verbrauchte er seine letzte Ration. Er fühlte sich schwach und schwindlig. Immer wieder wurde sein abgezehrter Körper von Kälteschauern durchzuckt. In seinem Tagebuch heißt es: »Hände und Nase werden immer schlimmer, und auch die Füße. Nasenspitze dick angeschwollen, voller Blasen und schorfig... Eine langsame, quälende Art zu sterben, soviel ist sicher.« McCunn erwog, sein Lager zu verlassen und sich zu Fuß nach Fort Yukon aufzumachen. Schließlich setzte sich jedoch bei ihm die Einsicht durch, daß er zu schwach sei und unterwegs vor Erschöpfung und Kälte zusammenbrechen würde.
    »Die Gegend, wo Carl hin ist, ist ein abgelegener, völlig unerschlossener Teil Alaskas«, meint Stoppel. »Im Winter wird's da eiskalt. Manche Leute in seiner Situation hätten irgendwie einen Weg gefunden, rauszuwandern oder vielleicht zu überwintern, aber dazu muß man schon sehr findig sein. Dazu muß man wirklich auf Draht sein. Man muß wie ein Tiger sein, wie ein Killer, eine halbe Bestie. Und Carl war für so was viel zu weich. Er war ein Party-Typ.«
    »Ich fürchte, ich kann so nicht weitermachen«, schrieb McCunn irgendwann Ende November auf eine der letzten Seiten seines Tagebuchs, das mittlerweile einhundert blaulinierte Notizblockseiten füllte. »Lieber Gott, der du bist im Himmel, bitte vergib mir meine Schwäche und meine Sünden. Bitte beschütze meine Familie.« Und dann legte er sich in seinem Steilwandzelt zurück, hielt die Mündung des .30 - .30ers an die Schläfe und riß mit dem Daumen den Abzug nach unten. Zwei Monate später, am 2. Februar 1982, stießen zwei Alaska State Troopers auf die Lagerstelle. Als sie einen Blick ins Zelt warfen, entdeckten sie die ausgezehrte, steinhart gefrorene Leiche.
    Zwischen Rosellini, Waterman, McCunn und auch

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