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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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»Muss es dir nicht. Ist schon okay.«
    Er warf mir ein erleichtertes Lächeln über den Tisch zu. »Ist total verrückt, ich kenn dich nicht mal richtig – und trotzdem hab ich das Gefühl, du verstehst mich irgendwie. Meine Mom und mein Dad sind echt klasse, aber wenn ich versuche, mit ihnen darüber zu reden, kommen sie mir mit Gottes Plan, mit Glaube und Vergebung, und das hilft mir einfach nicht weiter. Und obwohl jeder Shrink versucht hat, es mir auszureden, krieg ich einfach diese Fragen nicht aus meinem Hirn. Warum ich unbedingt wollte, dass sie vor mir über diesen Pfad marschiert. Warum ich nicht vorausgegangen bin. Warum ausgerechnet unter ihr der Boden wegbrach, wo sie doch nur so ein Fliegengewicht war. Ob mir viel weniger passiert wäre, wenn ich an ihrer Stelle dort abgestürzt wäre. Weil ich anders gefallen wäre, durch mein Gewicht, durch den Sport. Weil ich kräftigere Knochen hab, einen härteren Schädel.« Er schnaufte noch einmal auf. »Und den anderen Jungs brauch ich damit gar nicht erst zu kommen. Heeyyy, Shane «, unter Grimassen und mit einer schlenkernden Handbewegung ahmte er einen besonders lässigen Typen nach, »das Leben geht weiter! Schau nach vorn oder lenk dich wenigstens ab, Gelegenheit dafür hast du ja genug!« Kopfschüttelnd setzte er hinzu: »Und dass ich seither Geister sehe, macht’s natürlich nicht besser. Als ob … als ob …«
    »Als ob du hinter einer Glaswand sitzt?«, warf ich leise ein.
    Shane sah mich an und seine Miene entspannte sich. »Du weißt, wie das ist.«
    Ich nickte, und wir lächelten uns an, bevor wir langsam unseren lauwarmen Kaffee austranken. Schweigend, weil es nichts mehr zu sagen gab. Weil dieses Gefühl zwischen uns keine Worte brauchte. Das Gefühl, mit unserer Seele, in der ein Loch klaffte, nicht allein zu sein.

52
    »Sorry, Fehlanzeige. Bis jetzt hab ich nichts herausgefunden.« Matt lehnte an meinem Schließfach und berichtete von seiner Recherche zu Nathaniel. »Aber ich versuch’s noch mal, versprochen. Weil du es bist.« Er zwinkerte mir zu, bevor sein Blick sich irgendwo hinter mir verlor. »Hey, schau mal, wen wir da schon wieder haben«, meinte er und ruckte mit dem Kinn auf einen Punkt hinter mir. Ich drehte mich um und sah, wie Goth-Girl in langem Rock, Schnürstiefeln und taillierter Bluse mit überlangen Ärmeln vor ihrem Schließfach stand; ein paar Bücher in den überkreuzten Armen an sich gepresst, schaute sie feindselig zu uns herüber. »Vielleicht ist sie nicht ganz so biestig, wenn du ohne mich auf sie zugehst. Mädchen unter sich und so.«
    Ich dachte an meine allererste Begegnung mit ihr. »Glaub ich kaum.«
    »Du kannst es ja wenigstens probieren. Vielleicht hast du mehr Glück als ich. Wenn ich sie noch mal anspreche«, sein Blick wanderte über meine Schulter wieder zu Goth-Girl, »kommt sie womöglich noch auf die Idee, dass ich was von ihr will.« Er rollte mit den Augen und grinste breit. »Bis nachher.« Ruppig, aber nicht allzu fest zog er an einer dicken Haarsträhne von mir und schulterte dann seinen Rucksack.
    »Bis nachher«, rief ich ihm leise nach und wandte mich zu meinem Fach um. Goth-Girl kramte unterdessen energisch in ihrem Spind herum; fast wütend wirkte sie dabei. Als ich meinen Rucksack ein Stück herauszog, fiel mir etwas Flaches entgegen, das ich gerade noch so auffangen konnte, und ich betrachtete die Tafel Schweizer Schokolade in meiner Hand. Sie stammte aus dem Päckchen, das Gabi mir neulich geschickt hatte. Heiner hatte in Zürich zu tun gehabt, und Gabi hatte ihm vorher eine Liste der Sorten zugesteckt, die ich besonders mochte und die es hier in Amerika nicht gab. Da war doch tatsächlich noch eine Tafel weiße Vanille-Mousse, die ich eigentlich Matt mitbringen wollte, aber komplett vergessen hatte. Ich sollte wirklich dringend nachschauen, ab welchem Alter man Alzheimer bekommen konnte. Kurzerhand riss ich die Packung auf, knickte eine Rippe Schokolade um und steckte mir das erste Stück in den Mund. Ich schielte zu Goth-Girl hinüber, die in genau diesem Moment ebenfalls in meine Richtung schaute, und hastig sahen wir beide wieder weg. Na gut, einen letzten Versuch war’s wert. Entschlossen zerrte ich meinen Rucksack heraus, schulterte ihn und verschloss meinen Spind. Ich schlenderte an den Schließfachreihen vorbei.
    »Hi«, nuschelte ich Goth-Girl total lässig entgegen, weitaus lässiger, als ich mich fühlte.
    Mit finsterer Miene fuhr sie herum, sodass das schwere silberne

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